Der Rechtspopulismus denkt partikularistisch. Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichheit gelten für Rechtspopulisten nur innerhalb der eigenen Gruppe: der Nation, der Steuerzahler, des Abendlandes. Kulturen und Identitäten sollen sich nicht vermischen. Das Fremde soll draußen bleiben, gerade weil die Welt so befremdlich geworden ist: der Fremde, die fremde Religion oder Lebensweise, der fremde Gedanke. Die mal latente, mal aggressive Ausländerfeindlichkeit der rechtspopulistischen Bewegung ist das auffälligste Symptom der Sorge um den Verlust der Identität. Sie muss in Abgrenzung zum Anderen gesichert und neu hergestellt werden. Der neue Rechtspopulismus ist keine konservative Bewegung. Er setzt im Gegenteil auf die Veränderung der Gesellschaft; darauf weist der Münchner Soziologe Armin Nassehi hin. Zwar stehen im Programm der AfD viele Forderungen aus dem klassischen Repertoire des Konservatismus. Wenn man die Forderungen aber zu Ende denkt, geht es bei ihnen weder um die Bewahrung des Bestehenden noch um die Wiedergewinnung des Verlorenen.
Der Islam muss aus der Öffentlichkeit verschwinden
Der Rechtspopulismus will nach vorne. Er will Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung geben. Er setzt dem Untergangsszenario eines Westens, der an der eigenen Schwäche und missverstandenen Humanität verrottet, die Utopie einer reinen, in sich gemeinschaftsverantwortlichen und stabilen Ordnung entgegen. Damit sie entsteht, muss sich etwas ändern: Der Islam muss aus der Öffentlichkeit verschwinden, die Ausländer müssen sich assimilieren oder gehen, die Sozialsysteme angepasst werden.
Die Vorlage dafür ist eine in die Vergangenheit projizierte Reinheitsideologie, so wie der Marxismus eine auf die Zukunft hin gespiegelte Ideologie der Reinheit ist. Bei allen Unterschieden denken auch die Salafisten ähnlich, wenn sie glauben, man könnte die reine Zeit des Propheten Mohammed wiederherstellen. Das viele die rechtspopulistische Bewegung als spießig, muffig und rückwärtsgewandt beschreiben, lässt ihre Anhänger kalt. Sie sehen sich als Avantgarde, als mutige Minderheit im Kampf gegen das Establishment, den Mainstream, die angeblich übermächtige Affirmation.
Der Rechtspopulismus strebt die autoritäre Herrschaft der Mehrheit an
Überraschend viele Techniken der politischen Auseinandersetzung der Rechtspopulisten entstammen dem Repertoire der 68er-Bewegung: der Tabu- und Konventionsbruch, die Aggressivität in der Auseinandersetzung, die Unbedingtheit in der Position, die eigene Publizistik mit eigenen Verbreitungswegen. Und aus dem Kampfbegriff „faschistisch“ ist der Slogan „links-rot-grün-versifft“ geworden, den der AfD-Vize Jörg Meuthen im baden-württembergischen Wahlkampf mit großem Erfolg verwendet hat.
Der Rechtspopulismus bedient irrationale Ängste und alte Vorurteile, das Misstrauen gegen Politiker, Medien, „die da oben“. Die neuen Rechtspopulisten sind meist keine Nazis und keine Faschisten. Es gibt zwar AfD-Gruppen, die neben harten Neonazis marschieren. Und doch sind sie gefährlich, für den Rechtsstaat, für die Demokratie, das Zusammenleben im Land. Das Ziel der Bewegung ist die autoritäre Herrschaft der Mehrheit über die diversen Minderheiten. Zum demokratischen Rechtsstaat gehört aber auch der Schutz der Minderheiten, die keine Wahlen gewinnen können. Quelle: Süddeutsche Zeitung
Von Hans Klumbies