Rebekka Reinhard wirft einen philosophischen Blick auf die Mode

Seit David Beckham auf die merkwürdige Idee kam, mit einer übergroßen Wollmütze – in Fachkreisen auch Beanie genannt – herumzulaufen, ist in der Mode nichts mehr wie es war. Die Wollmütze ist für Rebekka Reinhard ein gutes Beispiel dafür, worum es heute in der Mode geht: „Oberstes Prinzip ist nicht mehr, wie zu Zeiten des Sonnenkönigs, die Eleganz, sondern die Neuheit.“ Eleganz und Kleidsamkeit haben ihre Bedeutung für das Modischen verloren. Nach gut dreihundertvierzig Jahren ist die Haute Couture fast ausgestorben. Der Mode geht es nicht mehr darum, dem Körper zu schmeicheln, indem sie aus einer Frau eine Dame und aus einem Mann einen Herren macht. Dr. Rebekka Reinhard studierte Philosophie, Amerikanistik und Italianistik und promovierte über amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie. Zu ihren erfolgreichen Büchern zählen „Die Sinn-Diät“, „Odysseus oder Die Kunst des Irrens“ und „Würde Platon Prada tragen?“

Die Mode hat sich zum Religionsersatz entwickelt

Die Prioritäten der Modebranche liegen in der Veränderung, im Wandel und in der Neuheit. In der Welt der Mode ist das Schöne stets das Neue. Modisch gesehen sind für Rebekka Reinhard „schön“ und „neu“ austauschbare Begriffe. Alles kann modisch sein, solange es nur schön neu ist. Rebekka Reinhard weist darauf hin, dass das 19. Jahrhundert das erste große Jahrhundert der Mode war. Denn es markierte den Beginn der industriellen Massenproduktion. Seither ist Mode eine Art Ersatz für die Religion geworden.

Rebekka Reinhard erklärt: „Das Heil, das die Mode von der Stange verspricht, liegt nicht in einem fernen Jenseits, sondern in ihrer sofortigen Verfügbarkeit.“ Wie sehr die Mode und die Epoche der Moderne miteinander verwandt sind, beschrieb auch der französische Schriftsteller Charles Baudelaire, der von 1821 bis 18 67 lebte. Für Rebekka Reinhard erklärt sich mit Immanuel Kant und Charles Baudelaire, warum die Wollmütze beim männlichen Geschlecht soviel Anklang findet: „Sie ist eine unwiderstehliche, weil durch und durch flüchtige Erscheinung.“

Die Mode ist ebenso schnelllebig wie inhaltsleer

Seit dem 20. Jahrhundert werden Innovationen in der Mode immer schneller alt. Die Abstände, in denen sich ein Modestil ändert, werden immer kürzer. Die jeweils neue Mode dient nicht dem Fortschritt, sondern der Abwechslung. Rebekka Reinhard erläutert: „Es geht nicht darum, immer praktischere, immer funktionalere Kleidung auf den Markt zu bringen. Mode folgt keinem anderen Ziel als ihrer steten Erneuerung.“ Aber selbst die Kreativität hat ihre Grenzen. Desto schneller das Modekarussell herumwirbelt, desto mehr verdrängt die Nachahmung das Neue.

Abgesehen davon, dass Mode Spaß macht, gibt es laut Rebekka Reinhard tausend Gründe, die man gegen sie anführen könnte. Sie ist ebenso schnelllebig wie inhaltsleer. Sie kostet manchmal ein kleines Vermögen, schmeichelt aber nicht unbedingt. Am wenigsten, wenn es um Jeans geht. Mit den sackartigen, in den Kniekehlen hängenden „Baggy“-Modell macht sich selbst der cleverste Jüngling zum Idioten. Und die sogenannte „Röhre“ ist für Rebekka Reinhard nichts anderes als ein frauenfeindliches Instrument, das selbst wohlproportionierte Beine wie Würste aussehen lässt.

Von Hans Klumbies