Rebekka Reinhard findet die Orientierung im Chaos

Orientierung haben bedeutet für die Philosophin Rebekka Reinhard, sich in wechselnden Situationen zurechtzufinden, ob auf Reisen oder im Leben überhaupt. Sich orientieren heißt, sich in einer unübersichtlichen Sphäre zu bewegen, in dem der Mensch ein bestimmtes Ziel anvisiert. Auf diese Weise versucht er innerhalb der Unübersichtlichkeit eine gewissen Ordnung herzustellen. Die einmal errichtete Ordnung ist allerdings nie von Dauer, da der Mensch immer wieder neue Ziele anstrebt. Mit jeder Umorientierung verändern sich die Perspektiven, die Sichtweisen werden neu geordnet. Dabei können auch Schwierigkeiten eintreten. Rebekka Reinhard erklärt: „Wenn wir die alte Orientierung verlieren und eine neue noch nicht gegeben ist, fangen wir an zu irren. Es kann sein, dass die Verbindung zwischen uns und dem von uns angepeilten Ziel einfach abreißt.“

Die Wirren der menschlichen Existenz

Es kann aber auch die Situation entstehen, dass alle Zeichen der Orientierung fehlen, weil nirgends sinnvolle Ziele in Sicht sind, an denen die Person sich festhalten könnte. Ein solcher Mensch irrt dann in seinem Lebensraum umher, der jetzt kein Kosmos mehr ist, sondern ein Chaos. Rebekka Reinhard schreibt: „In diesem zweiten Szenario gleichen wir Schauspielern auf einer leeren Bühne, die in Abwesenheit aller Requisiten und ohne Regisseur nach einem ungeschriebenen Drehbuch zu agieren versuchen. Der einzige Fixpunkt, der uns hier noch bliebt, sind wir selbst.“

Rebekka Reinhard lehrt, dass sich Menschen von Phasen der Orientierungslosigkeit nicht einschüchtern lassen sollten. Denn wenn der Mensch verlernt, verwirrt zu sein, zu irren, in die Irre zu gehen, verlernt er am Ende auch das Leben, da er sich nicht mit den Wirren seiner Existenz bekannt gemacht hat. Die Irrfahrten des Odysseus sind ein gutes Beispiel dafür, was es heißt, immer wieder dem Fremden zu begegnen, sich immer wieder neu orientieren zu müssen.

Die Lebenselixiere des Muts und der Neugier

Auf seiner zehnjährigen Reise wird er immer wieder dazu verführt, zu vergessen. Würde er der Versuchung nachgeben, würde er nicht nur sein Ziel, seine Heimat, aus den Augen verlieren, sondern auch sich selbst. Laut Rebekka Reinhard verliert der Mensch seine Identität, wenn er vergisst. Er weiß nicht mehr, wo er herkommt und wohin er gehen will. Die Botschaft des Seefahrers Odysseus ist, dass es viele Welten gibt, nicht nur die, die ein Mensch gerade vor Augen hat.

Die Philosophin schreibt: „Odysseus rät uns: Seid neugierig auf das Fremde, um euch selbst besser kennen zu lernen, auch wenn es zehn Jahre dauern sollte.“ Er inspiriert die Menschen, die Vorsicht und die Langeweile zu überwinden und gegen Neugier und Mut einzutauschen. Die Menschen sollten darüber nachdenken, was sie mit ihrer Lebenszeit anfangen wollen, womit sie diese Zeit sinnvoll füllen möchten.

Von Hans Klumbies