Die Gegenwart ist einem allgemeinen Schönheitswahn verfallen

Rebekka Reinhard vertritt die These, dass der Druck, gut auszusehen, nie größer war als heute. Vor allem Frauen stellen sich die Frage: „Wie werde ich schön und wie bleibe ich es?“ Viele von ihnen vergleichen sich mit jüngeren und schlankeren Ausführungen des weiblichen Geschlechts und fühlen sich anschließend mies. Rebekka Reinhard erklärt: „Für immer mehr Frauen sind Mimikfalten kein Zeichen von Lebenserfahrung, sondern ein echtes Problem. Ein Problem wie Schlafstörungen oder chronischer Geldmangel, das es nachhaltig zu beheben gilt. Mittels Creme, Serum oder Skalpell.“ Dr. Rebekka Reinhard studierte Philosophie, Amerikanistik und Italianistik und promovierte über amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie. Zu ihren erfolgreichen Büchern zählen „Die Sinn-Diät“, „Odysseus oder Die Kunst des Irrens“ und „Würde Platon Prada tragen?“

Auch Männer gehen immer öfter zum Schönheitschirurgen

Die Zahl der Schönheitsoperationen steigt auch in Deutschland in immer schwindelerregendere Höhen an. Traditionell verband man einst hierzulande körperliche Schönheit eher mit Oberflächlichkeit und mangelnder Authentizität. Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie hat durch eine Studie herausgefunden, das sich ehrgeizige Frauen von heute schon oft im Alter von achtzehne Jahren erste Korrekturen an ihrem Körper vornehmen lassen, vor allem an ihren zu klein empfundenen Brüsten.

Aber auch die Männer legen sich immer öfter unter das Messer eines Schönheitschirurgen. Rebekka Reinhard nennt Beispiele: „Die Top Drei ästhetischer Eingriffe beim Mann sind Fettabsaugung, Lidstraffung und Nasenkorrektur. Die Penisvergrößerung liegt dagegen leicht abgeschlagen auf Platz sieben.“ Möglicherweise ist der Schönheitswahn der Moderne nur ein Symptom eines allgemeinen Perfektionismus, obwohl eine eindeutige Definition des Begriffs „schön“ zu finden, gar nicht so leicht ist.

Ganz oben in der Schönheitshierarchie stehen Schlankheit und Style

Die Trendforscherin Europa Bendig hält überhaupt nichts von dem aktuellen Kult um die Schönheit. Ihrer Meinung nach werden die Menschen jetzt und in Zukunft weniger dadurch punkten, dass ihr äußeres Erscheinungsbild einem bestimmten ästhetischen Ideal entspricht, sondern durch Ausstrahlung, Persönlichkeit und Charakter. Für Rebekka Reinhard ist das, was Europa Bendig als Trend beschreibt, nichts anderes als die altgriechische Vorstellung von der kalogathia, nämlich der Einheit des Schönen, Guten und Wahren.

In der modernen  Ästhetik der Alltags zeigt sich laut Rebekka Reinhard die ungebrochene Wirksamkeit der kalogathia vor allem daran, dass schönen Menschen nicht nur größere moralische Kompetenzen als weniger attraktiven zugetraut werden, sondern auch eine höhere Intelligenz, bessere Karrierechancen sowie eine nachhaltigere Gesundheit. Für Europa Bendig steht ganz oben in der Schönheitshierarchie die Forderung, schlank und gestylt zu sein. Es geht also um die Frage, ob es ein Mensch geschafft hat, durch Disziplin schlank und schön zu sein, und durch einen Vorsprung an Wissen den richtigen Style gefunden zu haben.

Von Hans Klumbies

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