Potentielle Kunden werden durch Daten ausfindig gemacht

Konrad Paul Liessmann schreibt: „Die rührenden Versuche staatlicher und europäischer Einrichtungen, die Datengier der Internetkonzerne einzudämmen, werden nicht nur die Frage nach den monopolistischen Strukturen des digitalen Kapitalismus auf, sondern auch die nach dem eigentlichen Sinn des hemmungslosen Datensammelns.“ Dass mit diesen Daten bislang wenig Schlimmes passiert, da sie nur dazu dienen, den Internetanbietern präzisere Profile ihrer Kunden zu liefern, um diese mit optimierten und individualisierten Angeboten zu verwöhnen, mag im ersten Augenblick sogar beruhigend klingen. Möglich aber, dass sich gerade hinter diesen trivialen Erklärung der eigentliche Schrecken verbirgt. Daten werden angeboten, preisgegeben, gesammelt und zusammengeführt, um potentielle Käufer ausfindig zu machen. Natürlich soll es jedem Bürger freistehen, seine Daten anderen zu überlassen, um kostenlose oder verbilligte Angebote in Anspruch zu nehmen. Konrad Paul Liessmann ist Professor emeritus für Philosophie an der Universität Wien, Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist.

Das Geschäftsmodell heißt Schnäppchen gegen Daten und Werbung

Der Preis dafür ist bekannt: ein unaufhörlicher Strom von Werbung, dem man sich auszusetzen hat. Was soll daran eigentlich schlimm sein. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Wer sich dem entziehen möchte, kann ja auf kostenpflichtige Angebote umsteigen, die dafür wenigstens fallweise auf Werbung verzichten. Allerdings: Das Geschäftsmodell Schnäppchen gegen Daten und Werbung ist mittlerweile fast zu einer Lebensform geworden. Deren Formel lautet: Ich werde beworben, also bin ich.“

Die Gegenwart ist in allen ihren Facetten von Werbung geprägt. Das trifft die digitale Existenz genauso wie die analogen Verhältnisse, in denen Menschen sich bewegen. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „Überall Leuchtschriften, überall eingeblendete Kurzvideos, überall Bilder, Sätze, Sprüche, Szenen, Geschichten, die nur eines im Sinn haben: uns mit Produkten zu konfrontieren, die wir kaufen sollen.“ Zumindest aber soll eine Marke oder ein Name eines Unternehmens ins Bewusstsein der Menschen einsickern und irgendwann einmal ihr Verhalten steuern.

Werbung befindet sich nicht selten an der Grenze zur Idiotie

Für diese Welt sind Menschen nur aus einem einzigen Grund interessant und deshalb Adressat ihrer Botschaften: Sie können Konsumenten sein. Natürlich ist der Mensch auch ein konsumierendes Wesen, aber er ist nicht darauf zu reduzieren. Konrad Paul Liessmann erläutert: „Die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Werbung bei jeder Gelegenheit aufdrängt, lässt den Gedanken an eine Welt ohne diese Zumutungen erst gar nicht mehr aufkommen.“

Der Großteil der Werbung ist einfach nur penetrant, formal und inhaltlich nicht selten an der Grenze zur Idiotie. Konrad Paul Liessmann fügt hinzu: „Die eine oder andere avancierte Reklame kompensiert kaum die Verwüstungen, die eine wahnwitzig gewordene Werbewelt generell im Wahrnehmen und Denken der Menschen anrichten muss.“ Nun, wie wäre es, sich eine Welt zu denken, in der freie und selbstbewusste Bürger sich dann über Produkte informieren, wenn sie ein Bedürfnis danach entwickeln? Quelle: „Lauter Lügen“ von Konrad Paul Liessmann

Von Hans Klumbies