In der Politik gibt es keine Checkliste, die man abarbeiten kann. Es kann sogar sein, dass der Fehler gerade darin besteht, alles richtig machen zu wollen. Politiker können sich nicht nach allen Seiten absichern, wenn sie nach oben wollen. Helene Bubrowski ergänzt: „Sie müssen auch mal eine Forderung raushauen, die nicht abgesprochen ist, ein Vorhaben ankündigen, dessen Realisierung sie nicht garantieren können.“ Und doch sind die Erfahrungen in der Luftfahrt hilfreich: Auch in der Politik entstehen Katastrophen durch eine unglückliche Verkettung vieler kleiner Fehler. Wer sofort gegensteuert, kommt erst gar nicht auf eine schiefe Ebene, wo ein Fehler den nächsten bedingt. Was erlaubt ist, kann trotzdem ein Fehler sein. Und nicht alles, was verboten ist, ist politisch gesehen automatisch ein Fehler. Helene Bubrowski arbeitet als Politikkorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Berliner Hauptstadtbüro.
Horst Seehofer nannte die AfD „staatszersetzend“
So haben Politiker, die sich in der Pandemie mit der Vermittlung von Maskengeschäften die Taschen vollgemacht haben, keine Straftat gegangen, die Verfahren wurden abgesehen von Steuerhinterziehungsdelikten eingestellt. Helene Bubrowski fügt hinzu: „Aber am Leid anderer Menschen Geld zu verdienen, widerspricht allen moralisch-ethischen Maßstäben. Die Folge war, dass keiner von ihnen auf seinem Stuhl bleiben konnte.“ Umgekehrt heißt eine Niederlage vor Gericht nicht zwingend, dass eine Entscheidung politisch falsch war.
Verschiedene Politiker wurden wegen ihrer scharfen Kritik an der Alternative für Deutschland (AfD) vom Bundesverfassungsgericht gerügt. Helene Bubrowski erklärt: „Horst Seehofer zum Beispiel nannte die Partei „staatszersetzend“ und veröffentlichte das Interview auf der Website des Ministeriums. Das war ein Verstoß gegen die Chancengleichheit und damit eine Verfassungsverletzung. Unterm Strich hat ihm das politisch mehr geholfen als geschadet.“
Politische Entscheidungen sind oft sehr komplex
In der Kommunikationswissenschaft wird zum Teil zwischen Fehler und Verfehlung unterschieden, wobei es an einer exakten Abgrenzung fehlt. Aus Helene Bubrowskis Sicht ist es nicht relativierend, einen Gesetzesverstoß, gar eine Straftat, als Fehler zu bezeichnen. Das rechtliche Urteil ist natürlich nicht irrelevant für die politische Bewertung, aber auch nicht deckungsgleich. Daher bleibt Helene Bubrowski in ihrem Buch „Die Fehlbaren“ bei dem einen Begriff: Fehler – in dem Bewusstsein, dass es schwere Fehler gibt und weniger schwere.
Helene Bubrowski stellt fest: „Es macht für unsere Betrachtungen in der Regel auch keinen Unterschied, ob eine Politikerin einen Fehler selbst begangen hat oder ob die Mitarbeiter etwas falsch gemacht haben, das sie sich als Chefin zurechnen lassen muss. Politische Entscheidungen sind oft so komplex, dass sich das gar nicht rekonstruieren lässt.“ Eine Entscheidung kann sich erst rückblickend als Fehler entpuppen, hinterher ist man halt schlauer. Quelle: „Die Fehlbaren“ von Helene Bubrowski
Von Hans Klumbies