Entscheidungen sind die Wemarken des Lebens

„Wie treffe ich eine gute Entscheidung?“ lautet das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 02/2019. Entscheidungen sind die Wegmarken des Lebens eines Menschen. Wer in die falsche Richtung geht, setzt sein Glück und seine Freiheit, vielleicht sogar seine gesamte Zukunft aufs Spiel. Umso drängender stellt sich die Frage, wie der richtige Weg rechtzeitig zu erkennen wäre. Soll man sich bei Entscheidungen eher auf die Vernunft oder die Intuition verlassen? Oder liegt gerade im Zögern und Zaudern die Chance wahrer Selbstbestimmung? In der Geschichte der Philosophie vertreten viele große Denker die Ansicht, dass man gute Entscheidungen nur treffen kann, wenn man der Unmündigkeit durch den Gebrauch der Vernunft entflieht. Inzwischen haben aber viele Studien der Psychologie und Verhaltensforschung gezeigt, dass es manchmal auch nicht schadet, seiner Intuition zu folgen, bringt diese doch eine enorme Reduktion der Komplexität mit sich.

Tyrannen finden immer Vollstrecker

Die Kulturphilosophin Alice Lagaay stellt sich der Aufgabe, die Ehre des Zauderns zu retten. Denn zu zögern bedeutet, dem unreflektierten Fluss gewohnheitsmäßigen Handelns zu unterbrechen, das System zu stören. Alice Lagaay erläutert: „Zögern heißt, pausieren. Sich Zeit für eine erneute Betrachtung nehmen, mit der Möglichkeit des Perspektivwechsels spielen, die Konsequenzen einer bestimmten Vorgehensweise überdenken und sich Alternativen vor Augen führen.“

Der Literaturwissenschaftler Stephen Greenblatt vertritt die These, dass man William Shakespeare lesen muss, um heutige Autokraten zu verstehen. Brutale und inkompetente Herrscher kommen nie alleine an die Macht. Es braucht stets Menschen, die sich etwas von ihm erhoffen und seine Herrschaft ermöglichen. Tyrannen finden immer Vollstrecker. Sie herrschen nie allein, sondern stets mittels williger Helfer. Auch die Lügen spielen bei einem Tyrannen eine wichtige Rolle. So gab zum Beispiel Silvio Berlusconi seinen Wählern das Gefühl, seine großen Betrügereien seien eine Lizenz für die kleinen Betrügereien im Alltag.

Ein schrankenloses Miteinander erstickt die Persönlichkeit

Im Gespräch mit dem Philosophie Magazin plädiert die Philosophin Seyla Benhabib für einen realitätsgesättigten Kosmopolitismus. Daneben ist sie eine entschiedene Verfechterin der Freiheit – jedoch der Freiheit nicht nur weniger, sondern aller Menschen. Seyla Benhabib weist darauf hin, dass aktuell weniger als ein Prozent der europäischen Bevölkerung Geflüchtete sind. Wer da von „Überfremdung“ spricht, redet und denkt schlicht an der Wirklichkeit vorbei. Der Geflüchtete ist ihrer Meinung nach zu einem ultimativen Symbol der Entfremdung geworden.

Zum Klassiker hat das Philosophie Magazin diesmal Helmuth Plessner gekürt. Sowohl im kommunistischen als auch im völkisch-nationalistischen Lager sieht Helmuth Plessner den Gemeinschaftsgedanken auf gefährliche Weise verabsolutiert. Transparenz der Herzen, Verschmelzung des Individuums mit dem großen Ganzen, nach außen gestülpte Intimität und Opferbereitschaft sollen im „schrankenlosen Miteinander“ regieren. Am Ende steht der Gesinnungsterror. Es droht der Erstickungstod der Persönlichkeit durch ein Übermaß an Nestwärme.

Von Hans Klumbies