Die Menschheit zerstört ihre Lebensgrundlage

Das Thema, um das sich in der neuen Sonderausgabe des Philosophie Magazins alles dreht, ist die Klimakrise. Dass die Erde sich erhitzt, wissen Menschen, die ihren Verstand gebrauchen schon lange. Was aber bei Catherine Newmark, der Chefredakteurin des Sonderhefts offene Fragen hinterlässt, ist folgendes: „Dass aus diesem Wissen allerdings seit Jahrzehnten kein Handeln folg, dass wir anscheinend nicht fähig oder willig sind, etwas an unserem Verhalten zu ändern oder global zu kooperieren, ist ein mehr als mehr als irritierender Befund.“ Extrem schwer fällt es der Menschheit, die Rechte anderer Spezies oder gar der Natur oder des Planeten als Fragen in ihr Denken miteinzubeziehen. Denn ihr Naturverhältnis konzentriert sich seit Jahrhunderten vor allem darauf, die Natur nutzbar zu machen und sich ihre Bedrohlichkeit mittels Technik vom Leib zu halten.

Die Menschen haben ihre Zukunft schon verspielt

Für Bruno Latour, einem der einflussreichsten Denker der Gegenwart, scheinen die Menschen ihre Zukunft schon verspielt zu haben. Im Interview mit dem Philosophie Magazin sagt er: „Heute können wir lediglich noch den Schaden begrenzen und uns auf eine irreversible Katastrophe einstellen.“ Von Greta Thunberg ist Bruno Latour begeistert. Er sieht in ihr eine prophetische Figur. Im Gegensatz zu den anderen Menschen, die sich mit der Zukunft beschäftigen, weil sie hoffen, am Ende durchzukommen, betont der Prophet, dass es keinen Ausweg gibt.

Für den Biologen und Philosophen Andreas Weber ist die Menschheit angekommen in dem, was erst „Klimawandel“ hieß und heute immer häufiger „Klimadesaster“ genannt wird. Das Klima ist für ihn kein Ding, das Nutzen verspricht, wenn man es schützt. Es ist vielmehr etwas, an dem die Menschen selbst teilhaben. Das Klima ist der Raum des mit allen anderen geteilten Atems. Andreas Weber erklärt: „Wir brauchen somit keinen Schutz des Klimas, sondern den Abschied vom Klima als Ding.“ Und die Menschheit sollte endlich anfangen, von einer gemeinsamen Welt zu sprechen.

Langfristiges Denken ist sehr schwer

Der schwedische Humanökologe Andreas Malm engagiert sich seit Jahrzehnten in der Klimabewegung. Angesichts der weitgehenden Tatenlosigkeit der Staaten und Institutionen ist es seiner Meinung nach an der Zeit, über militantere Methoden des öffentlichen Drucks nachzudenken. Dabei denkt er an Dinge wie die Sabotage von Eigentum und Infrastruktur. Man kann auch historisch zeigen, dass das Dogma der Gewaltfreiheit einfach nicht stimmt. Mit gewaltfreien Mitteln wurde weder das Ende der Sklaverei erreicht noch der Kampf ums Frauenwahlrecht geführt.

Im Alltag hantieren die meisten Menschen mit Dingen, deren Funktion sie begreifen können. Der Philosoph Philipp Hübl weiß: „Sobald die Ursachen räumlich und zeitlich weit entfernt oder unsichtbar sind, versagt unsere vorwissenschaftliche Intuition.“ Weil ihr eigener Beitrag zur Erderwärmung unsichtbar ist, bestreiten Leugner des Klimawandels, dass die Menschen für sie verantwortlich sind. Doch selbst wissenschaftlich geschulten Personen fällt langfristiges Denken schwer. Dazu kommt ihnen oft genug noch die Willensschwäche in die Quere. Philipp Hübl stellt fest: „Wir handeln wider besseren Wissens, genauer: Wir ziehen den schnellen Spaß dem langfristigen Nutzen vor.“

Von Hans Klumbies