Albert Camus sucht Sinn in einer absurden Welt

Die 21. Sonderausgabe des Philosophie Magazins ist Albert Camus gewidmet. Der Schriftsteller und Philosoph wurde 1957 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Jana Glaese, Chefredakteurin des Sonderhefts, schreibt im Editorial: „Camus zeigt sich als der Denker dieser Zeit. Die Coronapandemie ließ uns seinen Roman „Die Pest“ wiederentdecken. Die Klimaproteste verleihen seinem Konzept der Revolte neue Aktualität. Und der Ukrainekrieg ruft Camus als Widerstands- und Freiheitsenker ins Gedächtnis.“ Gleichzeitig zielt sein Denken auf weit mehr. Albert Camus ging es um die Existenz als solche. Die Überzeugung, dass man der Welt entgegentreten muss, ist in seiner Philosophie des Absurden angelegt. „Das Absurde“, heißt es im „Der Mythos des Sisyphos“, ist „der Zusammenprall des menschlichen Rufes mit dem unbegreiflichen Schweigen der Welt.“ Doch für Albert Camus gilt es, trotz aller Stille, weiter zu rufen und sich der Sinnlosigkeit zu verweigern. Wenn es ein Glück gibt, dann liegt es eben in dieser Revolte.

Die Natur ist für Albert Camus eine ethische Referenz

Albert Camus sucht nach Glück, ohne die Absurdität zu leugnen, strebt nach Mut ohne Heldentum, fordert Aufbegehren ohne Revolution. Daneben bleibt die Natur, insbesondere das Licht, ein zentrales Element seiner Werke. Die Natur ist für ihn jedoch nicht nur Zugang zur Welt. Sie ist für ihn auch eine ethische Referenz. Denn die Natur setzt natürliche Grenzen und strebt nach Gleichgewicht, während der moderne Mensch, von Ideologie und Fortschritt getrieben, droht, maßlos zu werden.

Catherine Camus, die Tochter von Albert Camus, erinnert sich in ihrem Gespräch mit dem Philosophie Magazin an ihre Kindheit. Sie veröffentlichte „Der erste Mensch“, das Manuskript, das ihr Vater am Tag seines Todes bei sich trug. Auf die Frage, was ihr dieses Buch bedeutet, antwortet Catherine Camus: „Es ist der erste Schrei des Aufbegehrens meines Vaters, ein Schrei, den er der Welt entgegenschleudert: „Das bin ich.“ Es ist der Abschluss der Eroberung der Sprache durch dieses Kind von Analphabeten, das zuvor eine außerordentliche Achtung vor der Sprache gezeigt hatte.“

Albert Camus beschwört als Denker Maß und Grenze

Für den französischen Philosophen André Comte-Sponville war Albert Camus nicht nur ein großer Schriftsteller. Er ist seiner Meinung nach auch ein bedeutender Philosoph, einer jener selten zu findenden, die eine neue Orientierung der menschlichen Empfindsamkeit und Intelligenz anzeigen. Das Glück liegt, wie alle Weisen gesagt haben und auch Albert Camus es bestätigt, im Akzeptieren, im Zustimmen, im großen Ja zum Realen – in der Weisheit. Die Welt ist nur absurd, weil man von ihr absurderweise fordert, human zu sein.

Im Sommer 1951 antwortet Albert Camus auf die Frage nach seinen zehn bevorzugten Wörtern: „Die Welt, der Schmerz, die Erde, die Mutter, die Menschen, die Wüste, die Ehre, das Elend, der Sommer, das Meer.“ In dem unvollendeten Roman „Der erste Mensch“ sieht der französische Philosoph Alain Finkielkraut den Entwurf einer neuen Metaphysik, die mit der Vision des Absurden bricht. Und Albert Camus ist ein Denker der Maß und Grenze beschwört. Was das Menschliche begründet ist für ihn die Hemmung, das Zügeln, Schamgefühl und Gewissen, die verhindern, dass man tut, was man will, seine Fantasien auf die Spitze treibt, seine Triebe entfesselt.

Von Hans Klumbies