Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 05/2024 beschäftigt sich mit der Frage: „Wie komme ich zur Ruhe?“ Die Ruhe ist eine große Sehnsucht vieler Menschen, doch sie ist nur schwer zu erreichen, wie bereits die Stoiker in der Antike wussten. Heute inmitten digitaler Ablenkung, politischer Krisen und spätmoderner Leistungsansprüche scheint sie weiter entfernt denn je. Der Philosoph Ralf Konersmann schreibt: „Charakteristisch für die Situation ist unser ambivalentes Verhältnis zur Unruhe: Wir leiden unter ihr, möchten sie aber auch nicht missen. Ich habe deshalb die Unruhe, unsere moderne Unruhe, eine Passion genannt.“ Inzwischen sind jedoch Trends wie Arbeitszeitreduktion zugunsten der Familien oder die Priorisierung von Hobbys auf dem Vormarsch. Ralf Konersmann erkennt in solchen Initiativen den Versuch, Alternativen zu entwickeln. Dennoch haben auch sie das Potential, neue Unruhe zu erzeugen. Die Unruhe ist also etwas, von dem man nicht so leicht loskommt.
Die Mitte des Lebens ist ein Hochplateau
Die Mitte des Lebens assoziieren viele Menschen mit einer Krise: die Hälfte ist vorbei, der Tod gerät in Sichtweite. Die Philosophin Barbara Bleisch plädiert für ein Umdenken. Die Bilanzierung in der Mitte des Lebens muss ihrer Meinung nach nicht Anlass für bittere Reue sein, sondern vielem lässt sich mit dem nachsichtigeren Gefühl des Bedauerns begegnen. Bei der Lebensmitte denkt Barbara Bleisch an ein Hochplateau: „Im besten Fall haben wir einiges gelernt, haben uns vom Leben prägen lassen und verfügen über Lebenserfahrung.“
Der Philosoph Richard David Precht meint, die deutsche Außenpolitik sollte sich in Zeiten der Kriege und Konflikte an Werten orientieren. Doch es gelte, diese pragmatisch zu priorisieren – und zu tolerieren, dass nicht alle Länder liberale Demokratien sein wollen. Richard David Precht kritisiert: „In der Gesellschaft, in der wir leben, in der permanenten Dauererregung, gepaart mit der Dekontextualisierung von Äußerungen und einer allgegenwärtigen Aufregung über abweichende Standpunkte lässt sich keine rationale Politik mehr machen.“
Religiöse Prinzipien sind Träume kranker Menschen
In Liebesbeziehungen geht es oftmals um Verschmelzung, um Auflösung der Ich-Grenzen. Für die Philosophin Millay Hyatt bleibt dabei jedoch die Individualität des Einzelnen auf der Strecke. Sie fordert: „Das Verhältnis von Geräumigkeit und Wechselwirkung muss in jeder Liebesziehung neu verhandelt werden, und wenn sie von Dauer ist, immer wieder.“ Wenn dabei beide nicht nur auf die eigenen Grenzen achten, sondern auch wachsam die des anderen hüten, kann die Weite zwischen ihnen zu einem Raum der Entdeckungen werden. Mit einer Überraschung nach der anderen.
Zum „Klassiker“ erkoren hat diesmal das Philosophie Magazin den Historiker und Philosophen David Hume. Für ihn stellt die Religion keine Bedingung für die Moral dar. Sie ist sogar ihrem Wesen nach darauf angelegt, sich gegen das moralische Empfinden zu richten, das alle Menschen von Natur aus haben. Für David Hume sind Irrtümer in der Religion gefährlich, Irrtümer in der Philosophie sind lediglich lächerlich. Im Schlusskapitel seiner „Naturgeschichte“ fällt er ein vernichtendes Urteil. Wenn man „die religiösen Prinzipien untersucht, die tatsächlich in der Welt geherrscht haben, so wird man kaum zu der Überzeugung gelangen, das sie etwas anderes als die Träume kranker Menschen sind“.
Von Hans Klumbies