Glück ist selbst in einer schlechten Welt möglich

Im neuen Philosophie Magazin 05/2022 äußern sich große Philosophen zu der Frage, ob es möglich ist, in einer schlechten Welt glücklich zu sein. Jean-Jacques Rousseau, Albert Camus, Harmut Rosa und Robert Pfaller sind der Ansicht, dass wirkliches Glück in einer abscheulichen Gegenwart nicht nur möglich ist, sondern erstrebenswert. Wer meint, sich seines Glückes schämen zu müssen, könnte einem schwerwiegenden Irrtum unterliegen. Jean-Jaques Rousseau vergällt nicht das Glück als solches, sondern er hält es gerade umgekehrt hoch in Form einer Selbstsorge. Aus dieses kann die Empathie allererst erwachsen. Doch verlangte der Philosoph keineswegs, dass man sich selbst herabsetzt, schämt, gar verzweifelt, weil es einem selbst besser geht als einem leidenden anderen. Svenja Flaßpöhler ergänzt: „In der Tat ist die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen, ein zentraler Antriebsmotor solidarischer Bewegungen. Und sie ist entscheidend für den zivilisatorischen Fortschritt.“

Wut kann gesellschaftliche Veränderungen in Gang setzen

Im gemeinsamen Gespräch setzen sich Hartmut Rosa und Robert Pfaller auf je eigene Weise mit den Voraussetzungen eines gelungenen Lebens auseinander. Wer das Privileg des Glücks besitzt, sollte sich seiner auch erfreuen, so Robert Pfaller: „Dieses Glück verschafft mir zudem noch die Chance, die Weltlage nüchtern zu analysieren.“ Für Harmut Rosa ist ein Glück, das auf Verdrängung beruht, kein wirkliches Glück. Wer versucht, das Negative auszublenden, gefährdet das Glück. Aus seiner Sicht geht es vielmehr darum, den Kontrast zwischen einer erbarmungslosen Welt und dem Glück auszuhalten.

Vivian Knopf wählt für ihren Beitrag die Überschrift: „Seid wütend aber richtig!“ Zuerst weist sie darauf hin, dass man in der Philosophiegeschichte den Emotionen generell skeptisch gegenüberstand. Doch als das schlimmste der Gefühle galt die Wut. Dem Wahnsinn gleich, so die Befürchtung, sabotiert sie das Denken und zerstört das Gemeinwesen. Tatsächlich kann Wut zum Motor des Fortschritts werden. Vivian Knopf erklärt: „Im Idealfall wird die Wut dann langfristig zu einem zuverlässigeren Seismografen für moralisches Unrecht. Und sie trägt dazu bei, gesellschaftliche Veränderungen in Gang zu setzen.“

Ralph Waldo Emerson ruft zur Selbstverwirklichung auf

Für den Philosophen Peter Sloterdijk überzeugt die Farbe Grau durch Zurücknahme, ohne in Gleichgültigkeit abzugleiten. Er versucht in seinem neuen Buch „Wer noch kein Grau gedacht hat“ Indizien dafür zusammenzutragen, dass Grau die Farbe der Gegenwart ist. Er nähert sich dabei dem Phänomen zeitdiagnostisch, ausgehend von Trends und Modewellen. Peter Sloterdijk schreibt: „Grau gewährt Exzellenz ohne das Risiko von Sanktionen. Die Stimmung im Lande ist bei uns ja nach wie vor exzellenzfeindlich. Und wer den Kopf höher tragen möchte als andere, verliert ihn früher oder später.“

Auf den Thron der Klassiker hat das Philosophie Magazin diesmal den amerikanischen Philosophen, Schriftsteller und Dichter Ralph Waldo Emerson gesetzt. Seine philosophischen Überlegungen gelten als „intellektuelle Unabhängigkeitserklärung“ der USA. Sein bekanntester Text trägt den Titel „Selbstvertrauen“. Seine zentrale Botschaft ist die Aufforderung, sich von Konventionen, moralischen Erwartungen und sozialen Abhängigkeiten radikal zu lösen. Nur so ist es möglich, auf seine eigene Stimme zu hören und sich selbst zu verwirklichen.

Von Hans Klumbies