Das neue Philosophie Magazin 03/2021 beschäftigt sich im Titelthema mit der Frage: „Wo liegt die Grenze des Sagbaren?“ Im Zentrum steht dabei der Begriff der „Cancel Culture“, zu Deutsch: „Absage- und Löschkultur“. Bestimmte Sichtweisen würden systematisch aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen. So lautet die mit diesem Ausdruck verbundene Kritik. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler blickt in die Geschichte der Meinungsfreiheit zurück. So ist es aus heutiger Sicht sehr leicht, staatliche Zensurmaßnahmen zu verurteilen, die es auch und gerade im Feld der Philosophie gegeben hat. Sie denkt dabei in vorderster Front an Sokrates, der vom athenischen Volksgericht wegen Gottlosigkeit und Verführung der Jugend zum Tode verurteilt wurde. Er ließ sein Leben, weil er es wagte, offen zu denken und dialektisch vermeintliche Gewissheiten zu hinterfragen.
Thea Dorn fordert schnellstens ein „Zurück zum Leben!“
Wer über Meinungsfreiheit streiten will, muss erst einmal klären, was eine Meinung überhaupt ist. Von John Stuart Mill stammt der Satz, dass die Unterdrückung einer Meinung „Raub an der Gemeinschaft aller“ sei. Die Philosophin Marie-Luisa Frick sagt dazu im Gespräch mit dem Philosophie Magazin folgendes: „Mill macht uns auf einen Aspekt aufmerksam, den wir oft übersehen. Denn es geht nicht darum, die Rechte derjenigen Menschen zu schützen und für sie einzutreten, die sich in einer demokratischen Öffentlichkeit zu Wort melden. Es geht auch um die Informationsrechte der Empfänger.“
Die Philosophin und Schriftstellerin Thea Dorn vertritt die These, dass Todesvermeidung um jeden Preis Menschen in eine existenzielle Ausweglosigkeit bringt. Der Schutz des Lebens ist das Kernelement der Zivilisation. Aber könnte es nicht sein, dass viele Menschen gerade dabei sind, vor lauter Todesangst das Leben selbst zu opfern? Thea Dorn fordert ein leidenschaftliches „Zurück zum Leben!“, so schnell wie irgend möglich. Und zwar zurück zu einem Leben, das akzeptiert, dass es Bedrohungen und Krankheiten ausgesetzt ist.
Arbeit kann durchaus sinnstiftend sein
Auf die Frage, ob Arbeit glücklich macht, stellt das Philosophie Magazin drei Positionen vor. Aristoteles sagt: „Nein, wer arbeiten muss, ist nicht frei.“ Für Karl Marx kommt es auf auf die Verhältnisse an. Für Bertrand Russell kann Arbeit mit der richtigen Einstellung durchaus glücklich machen. In seinem Buch „Eroberung des Glücks“ zählt er Elemente auf, die Arbeit zu einer sinnstiftenden Tätigkeit machen: ein genuines Interesse an ihrem Inhalt, der richtige Ausgleich von Freizeit und Arbeit sowie die eigene Selbstachtung. Wesentlich ist jedoch, sich und seine Arbeit nicht zu wichtig zu nehmen.
Zum Buch des Monats hat das Philosophie Magazin diesmal „Metamorphosen. Das Leben hat viele Formen“ von Emanuele Coccia gekürt. Für den italienischen Philosophen ist alles in Bewegung, Verwandlung, Metamorphose. Es gibt kein Leben, das nicht der Veränderung unterworfen wäre. Emanuele Coccia entwickelt ein durch und durch dynamisches Weltbild, in dem nichts an seinem Platz bleibt, weil alles Leben auf Austausch und Umformung beruht. Das Leben besteht aus „Metamorphosen“ eines einzigen großen Organismus. Damit definiert Emanuel Coccia die Ökologie neu.
https://www.philomag.de/archives/57-philosophie-magazin-3-2021
Von Hans Klumbies