Das Neue bricht plötzlich und unvorhergesehen in das Sein ein

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 02/2018 beantwortet folgende Frage: „Woher kommt das Neue?“ Denn es existiert jener Punkt, an dem das Alte nicht mehr passt, Gewohnheiten schal werden, Routinen beziehungsweise Rituale einem Menschen die Kehle zuschnüren. Vielgepriesene Losungen der Gegenwart lauten: Bleib up to date! Erfinde dich neu! Sei kreativ! Der permanente Wandel in der modernen Zeit zwingt die Menschen zu einer ständigen Anpassung, die nicht wenige von ihnen überfordert. Sie wissen nicht, ob sie den Sprung ins Ungewisse wagen sollen, um das zu finden, was noch nicht vorhanden ist. Während das Neue für die einen gar nicht schnell genug kommen kann, fühlen sich andere von ihm chronisch erschöpft. Für Denker wie Martin Heidegger oder Alain Badiou ereignet sich das Neu im eminenten Sinne. Das heißt, es bricht so plötzlich wie unvorhergesehen in das Sein ein.

„Die Welt war nich nie so gut wie heute!“

Laut Alain Badiou zeigt sich das vor allem in vier großen Bereichen: der Wissenschaft, der Kunst, der Liebe und der Politik: „Hier können singuläre Situationen einen tiefen Riss in die Ordnung der Dinge treiben, die Bedeutung des Bestehenden fundamental verändern.“ Zum Beispiel jener Moment, in dem man sich auf den ersten Blick unsterblich verliebt. Damit aus diesem Singulären dann aber auch wirklich das Neue wird, braucht es für Alain Badiou vor allem eins: Man müsse dem Ereignis die „Treue“ halten, sich ihm also produktiv öffnen.

Zum „Gespräch“ hat das Philosophie Magazin diesmal den Harvard-Professor und Bestsellerautor Steven Pinker eingeladen. In seinem im Herbst auf Deutsch erscheinenden Buch „Aufklärung jetzt“ bietet er dem herrschenden Pessimismus mutig die Stirn. Er vertritt darin folgende These: „Die Welt war nich nie so gut wie heute!“ Steven Pinker beharrt darauf, dass die Aufklärung ihren Zielen kontinuierlich immer näher kommt. Auch in seinem neuen Buch feiert Steven Pinker diese jahrhundertelange Entwicklung als Triumph von Empathie und Vernunft.

„Aktion und Meditation sind dasselbe“

Der Beschleunigungstheoretiker Hartmut Rosa ist zwei Wochen lang durch China gereist und zeichnet im Philosophie Magazin das Porträt einer gespaltenen Gesellschaft. Kaum ein anderes Land wandelt sich derzeit so radikal wie das Reich der Mitte. Während in den hypermodernen Städten ein einzigartiger Leistungs- und Konkurrenzdruck herrscht, scheint in vielen entvölkerten Dörfern die Zeit wie stehen geblieben. In Shanghai dagegen gilt beispielsweise folgende Faustregel: „Rechne damit, dass schon morgen alles neu und anders sein wird.“

In einem zweiten Gespräch hat der ehemalige Chefredakteur des Philosophie Magazins Wolfram Eilenberger den Extremsportler Reinhold Messner interviewt, der 1978 als erster Mensch ohne Flaschensauerstoff den Mount Everest bestieg und anschließend als 14 Achttausender der Erde bezwang. Für Reinhold Messner, einem Philosophen der Tat, gilt folgender Leitspruch: „Aktion und Meditation sind dasselbe.“ Höchste Anspannung und Wachheit und tiefste Gelassenheit und Versöhnung sind daher eigentlich eins.

Von Hans Klumbies