Das Titelthema des neuen Philosophie Magazin 01/2026 ist der Philosophin Hannah Arendt gewidmet, deren Todestag sich am 4. Dezember zum 50. Mal jährt. Svenja Flaßpöhler schreibt im Editorial: „Arendt Denken war immer riskant, und zwar gerade weil sie konsequent eigener Handlungsmacht festhielt.“ Dabei verlor sie nie die Zuversicht. Stattdessen schuf sie eine Philosophie des Handelns und forderte von Bürgern Mut, geistige Autonomie und die Fähigkeit politischer Urteilskraft. Dadurch ist Hannah Arendt die politische Instanz unserer Gegenwart. Das liegt sicher daran, das sie Themen behandelt, die liberale Gesellschaften umtreiben: Frei sein, Rechte haben, handeln können, der Diktatur widerstehen. Hannah Arendts Ideal des politisch engagierten Lebens liest sich wie ein Vorschlag zur Belebung kriselnder Institutionen von Parteien, Staat und Öffentlichkeit. Ihr Bruch im dem Monotheismus der Wahrheit macht ernst mit dem pluralistischen Anspruch von Demokratien.
Der Mythos der unterwürfigen Frauen ist ebenso für die Männer schlecht
Svenja Flaßpöhler führte mit der Philosophin Manon Garcia ein Gespräch über Männer und Frauen und die Zukunft des Feminismus. Sie wohnte dem Prozess des Vergewaltigungsfalls der Französin Gisèle Pelicot bei. Sie sagt: „Nun der Ehemann, Dominique Pelicot ist durchaus ein Monster, mindestens ein Perverser. Er hat wirklich etwas Böses an sich.“ Männer, die im Frauen dominieren und vergewaltigen, sind im hegelschen Sinne nicht frei. Der Mythos der unterwürfigen Frauen nicht nur schlecht für die Männer selbst. Auch die Sexualität der Männer ist im Patriarchat weniger gut, als sie in Freiheit sein konnte. Auf die Frage, ob Frauen mit Männern leben können, möchte Manon Garcia dennoch ja sagen.
Theresa Schouwink stellt im ihrem Beitrag für die Philosophie Magazin die Frage: „Woher kommt der Hass auf die Arbeitslosen?“ Mit der „neuen Grundsicherung“ sollen Erwerbslose künftig stark unter Druck gesetzt werden. Vorausgegangen ist der Reform eine lange Kampagne gegen Bürgergeldempfänger. Tief verankert ist in unserer Gesellschaft die Überzeugung, dass mit Arbeitslosen substanziell etwas nicht stimmt, dass sie womöglich gar, wie der Begriff „faul“ suggeriert, im Innersten verdorben sind.
Religion ist Sinn und Geschmack für das Unendliche
Repressiv, aber durchlässig: so beschreibt der in Dresden geborene Philosophie Wolfgang Engler die ehemalige DDR. Die Wende ging einher mit teils dramatischen Folgen für die Gesellschaft der damaligen DDR. Wolfgang Engler sagt: „Die Arbeitslosigkeit kam wie eine Seuche über den Osten und riss Millionen Menschen aus ihrem Leben. Sie ging mit einer Abwertung der Leistungen und Biographien einher.“ Diese Ereignisse wirken bis in die Gegenwart nach. Aus der Scham von einst hat sich die Wut von heute entwickelt.
Als Klassiker stellt das Philosophie Magazin diesmal Friedrich Schleiermacher vor. Für den reformierte Prediger und Theologen heißt Religion, die Erscheinungen des Lebens in einem größeren Zusammenhang, als Teil eines großen Ganzen zu sehen. So viele Menschen es gibt, so viele unterschiedliche Formen von Religion gibt es daher auch. Religion ist etwas zutiefst Individuelles; ja sie ist sogar der höchste Ausdruck konkreter Individualität. Religion ist, um ein berühmtes Zitat Friedrich Schleiermachers zu verwenden, „Sinn und Geschmack für das Unendliche“.
Von Hans Klumbies
