Philipp Hübl stellt Sigmund Freuds Modell der Psyche vor

Sigmund Freuds Modell zufolge besteht die Psyche, also der Geist eines Menschen, aus drei Teilen, nämlich erstens aus dem Ich, also dem Bewusstsein, zweitens aus dem Es, in dem sich die Triebe befinden, und drittens dem Über-Ich, in dem Normen gespeichert sind, in Form von Geboten und Verboten zunächst der Eltern und später der Gesellschaft. Philipp Hübl konkretisiert: „Das Bewusstsein hat also, Freud zufolge, drei Zugänge. Erstens erhält es Informationen durch die Wahrnehmung, zweitens Wünsche aus dem Es und drittens Warnungen vom Über-Ich, und zwar vermittelt über das Gewissen, wenn die eigenen Normen und Ideale nicht erreicht sind.“ Das Es ist der älteste Teil des Geistes, in dem Triebe und Instinkte wohnen, ein Reich des Unlogischen ohne Begriffe für Raum und Zeit. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

Die zwei Triebe des Menschen heißen Eros und Thanatos

Sigmund Freud schreibt über das Es: „Von den Trieben her erfüllt es sich mit Energie, aber es hat keine Organisation, bringt keinen Gesamtwillen auf, nur das Bestreben, den Triebbedürfnissen unter Einhaltung des Lustprinzips Befriedigung zu schaffen.“ Das Es ist von Geburt an da, während sich das Ich erst davon lösen und abgrenzen muss. Der Mensch hätte zwar den Eindruck, das Ich sei selbstständig und autonom, doch die Übergänge blieben immer fließend und das Es wirke dauerhaft in das Bewusstsein hinein.

Sigmund Freud nahm zumindest in seinem Spätwerk zweit Triebe im Menschen an: Eros und Thanatos, den Geschlechtstrieb und den Todestrieb, Lust und Aggression, Streben nach Sex und das Verlangen nach Zerstörung. Diese Triebe sind laut Sigmund Freud mythische Wesen, großartig in ihrer Unbestimmtheit. Das Es betrachtete er als ein Chaos, einen Kessel voll brodelnder Erregungen. Während es dem Ich um die Realität geht, hat das Es nur die Lust oder allgemeiner die Triebbefriedigung im Sinn.

Zwischen dem Ich und dem Es arbeitet ein Zensor

Philipp Hübl erklärt: „Die unbewussten Prozesse innerhalb des Es folgen zwar keiner klassischen Logik, aber man kann so etwas wie eine Algorithmus der Triebe ausmachen, denn sie zeigen sich oft in verwandelter Form im Bewusstsein.“ Die Sprache des Es ist assoziativ und verdichtet, voller Überlagerungen, Verwechselungen und Erfindungen. Wenn ein Wunsch im Es schlummert, befindet er sich im Zustand der Verdrängung, entweder weil man ihn aktiv dorthin gedrängt hat oder weil er aus dem Es nie herausgelassen wurde.

Zwischen dem Ich und dem Es ist ein Kontrollmechanismus eingebaut, der Zensor, der die Energien des Es bearbeitet, sobald sie ins Bewusstsein vordringen wollen. Wenn er seine Arbeit gut macht, zeigen sich die Wünsche nicht in ihrer ursprünglichen Form, was für das Ich sehr unangenehm wäre, sondern sie erscheinen in einer neuen, symbolischen Umhüllung. Das bekannteste Beispiel dafür sind Umformatierungen von sexuellen Wünschen, die sich als Traumsymbole während des Schlafes offenbaren. Quelle: „Der Untergrund des Denkens“ von Philipp Hübl“

Von Hans Klumbies