Verunglimpfungen funktionieren oft über Ekel

In den USA sind Reinheitsthemen im rechten Lager schon lange verbreitet. Der Anführer der amerikanischen Alt-Right-Bewegung, Richard Spencer, träumt von einer „Erneuerung“ des weißen Volkes durch „Wiedergeburt“. Und die bibeltreuen Christen halten Homosexualität für eine moralische Verunreinigung und die Homo-Ehe für das Werk Satans. Philipp Hübl erklärt: „Vor allem Verunglimpfungen, also abfällige Bezeichnungen für Fremde und Minderheiten, funktionieren oft über Ekel.“ Durch den erscheint deren Aussehen, Essgewohnheiten und Sitten als abstoßend. Vergleiche mit Tieren, Essen oder Exkrementen sind ebenfalls weit verbreitet. Ein Ausdruck wie „Krauts“ oder „Kartoffeln“ für Deutsche erscheint im internationalen Vergleich da fast wie ein Kosename. Der Ausdruck „links-grün versifft“ leitet sich übrigens von der Geschlechtskrankheit Syphilis ab. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

Menschenfeinde machen sich über fremde Gruppen lustig

Auch wenn das den meisten Rechtsradikalen nicht bewusst ist, drücken sie damit ihren Ekel aus. Selbst Intellektuelle bedienen sich manchmal bei Themen der Reinheit und der Infektion. Der Publizist Henryk M. Broder vertritt beispielsweise in einem kurzen Artikel die These, dass die Migranten eine Infektionsgefahr darstellen. Trotz moderner Medizin taucht diese Assoziation in der Debatte um Flüchtlinge immer wieder auf. Sie ist besonders perfide, weil man den Ekel vor Infektionen und damit vor den ansteckenden Fremden schnell erzeugen kann.

Es dauert jedoch deutlich länger, sich davon wieder zu befreien. Untersuchungen zeigen, dass Personen mit einer menschenfeindlichen Gesinnung einen stärkeren Drang verspüren, sich über fremde Gruppen lustig zu machen. Philipp Hübl erläutert: „Sie sehen die anderen meist als eine homogene und anonyme Gegengruppe.“ Zwar machen sich auf Progressive über andere lustig, etwa wenn sie mit Satire an der Position der Mächtigen rütteln. Doch diese Form von Humor ist antiautoritär.

Progressive empfinden Traurigkeit über das Leid der Welt

Abfällige Witze über Fremde hingegen dienen der eigenen Gruppenbildung und der Ausgrenzung der anderen nach der Extremform des Prinzips Loyalität. Die Taktik von konservativen und rechtsradikalen Politikern funktioniert auch deshalb, weil sie aktive Emotionen ansprechen. Dazu zählen Wut, Angst und Ekel, die üblicherweise die Handlungsmuster Kampf, Schutz und Vermeidung auslösen. Progressive verspüren mit dem Mitgefühl und dem Gerechtigkeitssinn auch aktive Emotionen.

Doch sie empfinden ebenso Enttäuschung über den Rechtsruck oder Traurigkeit über das Leid der Welt. Diese passiven Emotionen bringen Menschen eher selten dazu, auf die Straße zu gehen. Verunglimpfungen allein stacheln natürlich noch nicht zur Gewalt an. Allerdings kann man mit den richtigen Wörtern denjenigen, die ohnehin schon eine menschenfeindliche Neigung haben, die Hemmungen nehmen, Gewalt anzuwenden. Auch hier spielt wieder der Ekel die entscheidende Rolle. Quelle: „Die aufgeregte Gesellschaft“ von Philipp Hübl

Von Hans Klumbies