Philipp Hübl erkennt einen Bruch zwischen Stadt und Land

Überall auf der Welt tun sich die gleichen Brüche auf. Die jungen und progressiven Städter wollen Freiheit und Offenheit. Dagegen sehnt sich die konservative, eher ältere Landbevölkerung nach Autorität und Tradition. Bei vielen Wahlen der letzten Jahre war dies der Fall. Beim Brexit wollten beispielsweise die jungen Londoner in der Europäischen Union bleiben, die alten Bauern aus Wales hingegen austreten. Philipp Hübl nennt ein weiteres Beispiel: „In den USA wählten vor allem die Alten im Mittleren Westen Donald Trump, die Jungen in den Küstenstädten stimmten für Hillary Clinton.“ Bei den Wahlerfolgen der Rechtspopulisten in Frankreich, Deutschland und Österreich im Jahr 2017 war der Bruch zwischen Stadt und Land nicht anders. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

Junge Menschen wollen freier leben

Auch der im Winter 2010 beginnende Arabische Frühling passt zu diesem Muster. Die jungen Demonstranten in Tunis, Kairo und Damaskus waren in Jeans und T-Shirts nicht von jungen Menschen im Westen zu unterscheiden. Sie gingen für die Freiheit auf die Straße, während die Machthaber in Uniform und traditionellen Gewändern versuchten, den Status quo zu verteidigen. In Syrien gelang ihnen das mit verheerendem Erfolg nach einem langjährigen Bürgerkrieg.

Nicht nur die Demonstranten, auch die jungen Wähler weltweit motiviert die ungewisse Lage am Arbeitsmarkt. Vor allem aber sind sie neugieriger und offener gegenüber Neuem als ihre Eltern und wollen daher freier leben. Und das heißt immer auch: weniger Tradition. Schon Gottfried Wilhelm Leibniz hat darauf aufmerksam gemacht, dass man Freiheit positiv und negativ verstehen kann. Positiv verstanden ist Freiheit Autonomie, also Selbstbestimmung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit.

Die Zukunft gehört einer globalen und vernetzten Welt

Negative Freiheit bedeutet dann, wenn man nicht in Ketten liegt, oder wie David Hume sagen würde, oder allgemeiner: bei der Abwesenheit von Zwang. Beide Spielarten der Freiheit sind nur auf Kosten traditioneller Normen zu haben. Daher verstoßen die Jungen, die sich für Neues interessieren und anders leben wollen als ihre Eltern, zwangsläufig gegen drei konservative Prinzipien. Erstens legen sie weniger Wert darauf, was die Älteren oder die Religionen sagen – Vorstoß gegen Autorität.

Zweitens fühlen sie sich weniger der Familie, dem Clan oder dem Heimatland verpflichtet – Verstoß gegen Loyalität. Drittens wollen sie mehr Alkohol konsumieren, feiern gehen und sich schon vor der Ehe sexuell ausprobieren – Verstoß gegen die Reinheit. Während die Konservativen sagen: „Früher war alles besser“, denken die Progressiven: „In Zukunft wird alles besser.“ Früher war die Zeit der Nationalstaaten. Die Zukunft jedoch gehört einer globalen und vernetzten Welt. Quelle: „Die aufgeregte Gesellschaft“ von Philipp Hübl

Von Hans Klumbies