Die Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit

Einen Satz sollte man nie wieder verwenden. Er lautet: „Das kann nie passieren.“ Philipp Blom vertritt die These: „Alles kann passieren, und vieles wird passieren, was viele Menschen heute noch für unmöglich halten. Die Menschheit befindet sich inmitten einer rasanten Transformation, auch wenn sie das nicht will. Das ist keine Frage der Lust oder der Präferenz des Konsums. Auf Umwälzungen ungeahnten Ausmaßes kann eine Gesellschaft nur entweder konstruktiv reagieren, oder sie kann sie erleiden. Wer Mauern baut, wird merken, dass sie eingedrückt werden. Außerdem gilt: Wachstum durch Ausbeutung, das Geschäftsmodell der westlichen Gesellschaften, ist bankrott. Leider sind Demokratie und Menschenrechte nicht die Norm und keine logische Folge des Fortschritts. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

Demokratien brauchen zum Überleben eine gemeinsame Hoffnung

Die Demokratie und die Menschenrechte sind ein junge und seltene historische Ausnahme, vielleicht nur eine Episode in der Menschheitsgeschichte. Allerdings ist der Fortschritt unumkehrbar. Philipp Blom ergänzt: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sind und waren seit ihrer Proklamation keine empirische Fakten, sondern eine Geschichte, die unsere Gesellschaft sich über sich selbst erzählt. Sie lebt und stirbt beim Erzählen und Zuhören.“ Zum Überleben brauchen Demokratien nicht nur Wohlstand. Sie brauchen auch eine gemeinsame Hoffnung.

Eine solche Hoffnung ließe sich nur schaffen, wenn sie als vernünftig und berechtigt erkannt wird, das heißt in einer Ökonomie, die eine Zukunft hat, in einer Gesellschaft, die in Frieden mit ihren Nachbarn und dem Maschinenzeitalter lebt. Die technologische Transformation wird auch das persönliche Leben der Menschen prägen, ihre Gedanken, Gefühle, ihr Selbstbild. Die Technologie wird nicht nur von den Menschen manipuliert, sie manipuliert umgekehrt auch die Menschen.

Neue Technologien haben die Arbeitswelt und die Demokratien verändert

In Gesellschaften, deren Bürger zufällig hineingeboren wurden und oft ganz andere Überzeugungen entwickeln, ist so viel Selbstlosigkeit und Kooperation wie beispielsweise in einem Kibbuz oder einem Kloster nicht zu erwarten. Dennoch dämmert inzwischen bei vielen Menschen die Erkenntnis, dass es jetzt ernst wird, dass eine immense Herausforderung wartet, dass eine gigantische Veränderung wie der Klimawandel bereits im Gange ist und gestaltet werden muss, solange noch die Möglichkeit besteht.

Die rapide Entwicklung neuer Technologien hat aber nicht nur die Arbeit verändert. Philipp Blom erläutert: „Das Problem der digitalen Echokammern und die schlichte Tatsache, dass Algorithmen Entscheidungen aufgrund von Datenanalyse und nicht aus Ignoranz, Dummheit oder Wut treffen, haben die demokratischen Systeme erheblich aufgemischt.“ Ein weiteres Problem in der Zukunft wird immer noch die Landwirtschaft sein, die trotz genmanipulierter Produkte und weit besserer Bewässerungstechnik den Bedarf einer immer noch wachsenden Weltbevölkerung kaum decken kann. Quelle: „Was auf dem Spiel steht“ von Philipp Blom

Von Hans Klumbies