In seinem neuen Buch „Hoffnung“ begibt sich Philipp Blom auf historische und philosophische Spurensuche. Dabei findet er gute Gründe, warum Menschen auch heute noch hoffen dürfen und müssen. Von Hoffnung zu reden hat Konjunktur. Ganze Karrieren setzen auf dieses Geschäftsmodell, den Leuten zu erzählen, dass tatsächlich alles immer besser wird, dass der Mensch gut ist und alle Indikatoren nach oben zeigen. Philipp Blom fügt hinzu: „Diese etwas plattfüßige Auffassung einer Art ewiger Seligkeit ist der zweite Aufguss einer christlichen Idee, nach der die Geschichte auf ein Ziel zugeht, auf die Erlösung, das himmlische Jerusalem.“ Heutzutage nennt man diese Idee Fortschritt. Alles wird unaufhörlich immer besser. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford. Er lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.
Die Hoffnung ist immer auch mit einem gewissen Risiko verbunden
Zu diesem Recht auf Optimismus kommt der vermeintliche Anspruch auf das Glück. Viele Menschen meinen heute, dass sie ein Recht darauf haben, in Sicherheit und Wohlstand zu leben. Jede Enttäuschung kann in eine Beschwerde münden, in eine Klage, eine Verurteilung. Hoffnung als Garantie, die bessere Zukunft als Verbraucherrecht? Für Philipp Blom ist das Gewäsch, verbaler Müll, moralisches Appeasement. Aber das wollen die Leute hören und zahlen gutes Geld dafür.
Hoffnung bedeutet auch, Risiken einzugehen und diese machen einen Menschen verwundbar. Zu diesen Risiken gehört, dass man im Voraus nicht wissen kann, ob sich der Einsatz lohnen wird und ob die Hoffnungen nicht zertrampelt oder bis zur Unkenntlichkeit entstellt werden. Zudem ist Hoffnung oft ambivalent und schwer zu erkennen, weil sie ein eigenes, sozusagen unterirdisches Netz an Geschichten und Verbindungen webt, das auf den ersten Blick unsichtbar ist.
Die Hoffnung kann die Wirklichkeit durchdringen und verwandeln
Alle Hoffnungen, die sich erfüllt haben, werden durch die Trägheit der Wirklichkeit verändert und verzerrt. Aber man vergisst auch leicht, dass vieles tatsächlich erreicht worden ist. Philipp Blom schreibt: „Wir neigen nun einmal dazu, alles, was wir einmal erreicht haben und was uns noch gestern völlig unmöglich schien, schon morgen als müde alte Selbstverständlichkeit oder als schlechte Kopie unserer Ideal zu verachten.“ Es ist daher gut, sich daran zu erinnern, dass Hoffnung tatsächlich die Kraft haben kann, eine Wirklichkeit zu durchdringen und zu verwandeln.
Schon Friedrich Nitzsche wusste: „Die starke Hoffnung ist ein viel größeres Stimulans des Lebens, als irgendein einzelnes wirklich eintretendes Glück.“ Mit Hoffnung leben heißt auch, die Möglichkeit zu schaffen, dass sich überhaupt etwas Gutes ereignen kann. Wer nur von den sogenannten Tatsachen ausgeht, davon, dass die Welt nun mal so ist wie sie ist, dass die Statistik eben sagt, was sie sagt, braucht erst gar nicht erst anzufangen mit dem Leben. Philipp Blom fasst zusammen: „Die Welt ist ein tödlicher Ort, an dem es trotzdem möglich ist, gut zu leben, zu hoffen, solange man sich von der naiven Idee verabschiedet, Hoffnung sei nichts anderes als eine Garantie für eine bessere Zukunft, auf den endgültigen Sieg der Good Guys.“
Hoffnung
Über ein kluges Verhältnis zur Welt
Philipp Blom
Verlag: Hanser
Gebundene Ausgabe: 182 Seiten, Auflage: 2024
ISBN: 978-3-446-28135-6, 22,00 Euro
Von Hans Klumbies