Der Liebende liebt das Schöne

In Platons „Symposion“ heißt es: „Der Liebende liebt das Schöne. Das Schöne findet sich nicht nur an einem Menschen.“ Also liebt er nicht nur viele. Nein, als Philosoph muss er sogar viele lieben, weil er sonst eben den allgemeinen Charakter der Schönheit nicht erkennt. Daraus lässt sich für Peter Trawny die Aufforderung ablesen, mit der Ansicht aufzuhören, es gäbe nur einen schönen Körper, nämlich den des gerade Geliebten. Da kann dann die Ehe nur stören. Wie dem auch sei. In Zeiten, in denen die Scheidung zu einer gewöhnlichen Angelegenheit geworden ist, ist ein Lob der Ehe fragwürdig, wenn nicht befremdlich. Peter Trawny vermutet: „Heute schein es nicht nur die Philosophen zu sein, die den allgemeinen Charakter der Schönheit erkannt haben und ihm zusprechen.“ Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

Liebe ist miteinander gelebte Zeit

Abgesehen von einem neoliberalen Hedonismus, der Beziehungen plant wie Urlaube in der Karibik, ist ein ungebundenes Leben keineswegs minderwertiger als ein gebundenes. Die Ehe gibt der Liebe einen Anspruch, die über die Fragen des Allgemeinen und Lustvollen hinausgeht. Unter Ehe versteht Peter Trawny hier tatsächlich die institutionell bestätigte und getragene Entscheidung für einen Anderen oder eine Andere. Die Ehe wird zwar nicht zur Ewigkeit. Doch sie gibt der Liebe eine Zeit, die ihrer Verbindlichkeit und, ja, Tiefe erst entspricht.

Die Liebe ist vielleicht nichts anderes als mit- und füreinander gelebte Zeit. In ihr werden Krisen wahrscheinlich nicht „gemeistert“, aber doch als Geschichte dieser Liebe anerkannt. Er so entsteht eine Gestalt im Leben, die ihm Würde gibt. Es ist gewiss flüchtig und das Flüchtige keineswegs ein Schlechtes. Peter Trawny ergänzt: „Aber die vertraute Schönheit Deiner alternden Hand auf meiner ist unvergleichlich.“ Liebende verstehen sich, ohne sich hören zu müssen. Sie sind die Lippenleser par excellence.

Erich Fromm ist der Vater der psychologischen Ratgeber

Richard David Precht kritisiert Erich Fromms Bestseller „Die Kunst des Liebens“ als „Bibel einer Wohlstandsgesellschaft“, die unbedingt ihr „Sein“ haben wollte. Erich Fromm sei der „Vater jener psychologischen Ratgeber, die zu Hunderten in den Buchhandlungen lauern. Es handelt sich dabei um ein Konvolut von Ködern, die Sinnsucher in aller Welt anziehen. Nämlich Menschen auf der Suche nach sexuellem und spirituellem Glück, nach Befriedigung und Erlösung.

Dabei lässt sich heute sagen, dass wohl selten ein Buch wie die „Kunst des Liebens“ so erfolgreich war (2014 in der 71. Auflage) und dabei so wenig gelesen wurde. Denn es stellt Ansprüche an seine Leser, die keineswegs zu unterschätzen sind. Erich Fromm übernimmt mit der Tradition der ars amatoria, mit der Absicht, eine Technik des Liebens darzustellen, ein anachronistisches Projekt. In der Tat scheint der dem Leser anbieten zu wollen, ein „Meister“ in der „Kunst des Liebens“ werden zu können. Quelle: „Philosophie der Liebe“ von Peter Trawny

Von Hans Klumbies