Peter Trawny kennt die unglückliche Liebe

Der Selbstmord in der Liebe ist ein bekanntes Ende. Vertraut ist auch, dass in einer spezifischen philosophischen Sicht der Selbstmord Ausdruck urmenschlicher Freiheit und damit von Souveränität ist. Peter Trawny weiß: „Doch die Autoren, die einen solchen Freitod proklamieren – zum Beispiel Seneca – denken in einem anderen Kontext. Man bringt sich um, weil man in einer politisch ausweglosen Lage steckt, weil man unheilbar krank ist, weil man restlos verarmt ist, aber nicht weil man unglücklich liebt. Die Unendlichkeit ist das Ein und Alles der Liebe. Im Augenblick der Vereinigung schwindet Zeit und Ewigkeit entfaltet sich. Eine andere Erfahrung der Zeit stellt sich ein. Doch das Leben sieht anders aus. Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

Sokrates zerstört die Liebe ohne Zögern

Der Körper hechelt nach Reizen, die Seele dagegen will gerettet werden. Von diesem Problem geht das „Symposion“ aus, diese einzigartige Initialisierung der Liebe. Um die Seele geht es. Sie wird in der Person des Sokrates gelehrt. Philosophie ist selbst heute noch weniger die Bildung des Gehirns als der Seele. Platon ist ein Pionier der Seele und damit der Liebe. Er hat einen Einfall, den die älteren Fürsprecher des Eros, darunter die Dichter, kaum begreifen.

Es muss ihnen wie ein Skandal vorgekommen sein. Dabei liegt er für Peter Trawny auf der Hand. Für die Dichter – und damit ja überhaupt für alle – war der Liebesgott Eros das Schönste und Beste. Wieso aber äußerst sich denn die Lebe als eine Sehnsucht nach etwas? Wenn Begehren nach Erfüllung strebt, dann kann es selbst nicht das Schönste sein. Damit bricht die Auffassung, die Liebe sei schon an sich das Allerschönste, in sich zusammen. Sokrates zerstört sie ohne Zögern.

Die Liebe beginnt beim Körper

An ihre Stelle setzt er etwas, das der Sache besser entspricht. Liebe ist für Sokrates die Bewegung, die einen Menschen zum Geliebten drückt, treibt, zieht. Sie ist das Begehren, das erfüllt werden will. Und so beginnt das Platonische Drama, das so viele spätere Philosophen nachgespielt haben. Warum? Peter Trawny antwortet: „Vielleicht weil es sich tief in die Männerseele eingeschrieben hat, weil es womöglich eine Plausibilität anmelde, die vor allem dieser Seele einleuchtet.“

Denn die Liebe erweist sich nun als ein Aufstieg, eine Elevation, Erektion, die auf Kulmination, Auflösung aus ist. Sie stellt jedenfalls eine Bewegung dar, die weniger zur Seele als zum Geschlecht zu gehören scheint. Sie beginnt zunächst bei einem schönen Körper. Der Anfang ist wichtig. Er nimmt die Bestimmung der Liebe bei den Dichtern auf, die tragische, aber auch komische Liebe, wie sie Aristophanes kennt. Selbst für den Philosophen der Seele beginnt die Liebe beim Körper, in der Berührung seiner Haut. Quelle: „Philosophie der Liebe“ von Peter Trawny