Oft bildet die Nacht den eigentlichen Liebesraum

Liebe geschieht an einer Schwelle. Begrüßung und Abschied, Nacht und Tag, Innen und Außen. In Liebesgeschichten ist es oft die Nacht, die den eigentlichen Liebesraum bildet. Die Nacht ist das Innen einer Berührung, die den Unterschied von Innen und Außen wiederholt und weitertreibt. Peter Trawny fügt hinzu: „Am Ende will die Romantische Liebe in ihr verschwinden, sich auflösen in unendliches Dunkel. Dieses Innen und Außen, seine Landschaft, die den Körper mit umfasst, ist die Landschaft der Liebe.“ Von Anfang an hat sie sich in die Tragödien, Gedichte, Gemälde und Filme eingeschrieben. Stets geht es um ein Hinein- und Herauskommen, um Räume und Orte, die dieser Bewegung entsprechen. Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

Die Sprache der Liebenden ist ein Flüstern

Geliebt haben sich die großen Paare der Weltliteratur wie Romeo und Julia oder der Meister und Margarita in zurückgezogenen Kammern und Zimmern, in Gärten, in Motels, in der Nacht, im Innenraum der Intimität. Die Liebe scheint die Intimität gerade deshalb zu suchen, weil die Öffentlichkeit ihr fremd ist. Wer liebt, hat etwas zu verheimlichen. Die Sprache der Liebenden ist ein Flüstern, manchmal genügt ein Blick. Das hatte schon Hannah Arendt erkannt. Immer wenn sie Liebe thematisierte, machte sie auf den antipolitischen, weil ganz und gar intimen Charakter der Liebe aufmerksam.

Für Hannah Arendt wird die Sphäre des Gemeinsamen, die Welt, gerade in der Liebe verzehrt. Ja sie sagte sogar einmal: „Liebe, die Verbrennung des Zwischen“, das heißt die Zerstörung der Welt. Es stimmt, Liebe ist der weltlose Bezug. Alles, was in der Welt gilt, politische, soziale, selbst moralische Regeln, sind in der Liebe nichts. In dem, was nur einen selbst und eine oder einen anderen betrifft, verdampft alles, was allgemein gültig ist. Das hängt mit dem Ineinander der Geliebten zusammen.

Liebe ist in ihrer Intimität anarchisch

Peter Trawny erläutert: „Ich gebe der Geliebten Möglichkeiten des Lebens mit mir, die ich mit niemandem anderen zu teilen bereit bin.“ Zudem verlangt das Begehren einen intimen Ort. Liebe ist in ihrer Intimität anarchisch. Das ist es war auch Romeo und Julia erfahren müssen. Hannah Arendts Hinweis auf die radikale Weltlosigkeit der Liebe entspricht mit ihrer Beschreibung dem Verständnis der Romantischen Liebe. Von Novalis aus kann sie wie folgt gedeutet werden: Liebe sucht ein In-Sein, das zur Bewusstlosigkeit, zum Tod tendiert.

Es sollte aber jedem klar sein, dass die Liebe auch von soziologischen Aspekten mitbestimmt wird. Auch Liebe wird, wie alles andere, von historischen Verschiebungen politisch-sozialer Bedeutungen berührt. So ist beispielsweise die Entgegensetzung von Liebe und Politik seit der griechischen Tragödie ein kulturhistorisches Leitmotiv. Darüber hinaus entzieht sich die Intime Topografie des Innen und Außen der Sprache der Welt keineswegs. Liebende sprechen eine über Jahrhunderte hinweg überlieferte Sprache. Quelle: „Philosophie der Liebe“ von Peter Trawny

Von Hans Klumbies