Perfektionisten sind stark von einem Burn-out bedroht

Immer häufiger wird die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen als Ursache für einen Burn-out gesehen. Klaus Biedermann erläutert: „Man hat festgestellt, dass es vor allem diejenigen trifft, die hohe Ansprüche an sich selbst haben: Menschen, die alle Aufgaben perfekt erledigen wollen und gleichzeitig nicht selten ein schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl haben.“ Sie trauen sich selbst eher wenig zu und können mit Kränkungen, Enttäuschungen oder Frust nicht gut umgehen. Ihnen fehlen geeignete Bewältigungsstrategien. Gleichzeitig möchten sie von allen geliebt und akzeptiert werden. Sie haben ein großes Bedürfnis nach Harmonie und schaffen es nur selten, Nein zu sagen. Darüber hinaus tun sich meist schwer damit, Kompromisse einzugehen oder Aufgaben abzugeben. Dr. phil. Klaus Biedermann leitet seit mehr als 30 Jahren Selbsterfahrungskurse und Burn-In-Seminare in seiner Sommerakademie auf der Insel Korfu.

Aus Fehlern kann man sehr viel lernen

Oft leiden Menschen, bei denen die Gefahr eines Burn-outs besteht, unter dem Gefühl, sich stark zu verausgaben, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten. Klaus Biedermann ergänzt: „Viele haben nicht genügend sachliche und emotionale Distanz zu ihrer Arbeit. Sie identifizieren sich sehr stark mit ihrem beruflichen Erfolg; Misserfolge treffen sie bis ins Mark.“ Manche Fehler verzeihen sie sich nicht, da ihnen ihr hoher Anspruch an Perfektion im Wege steht. Dabei ist es gar nicht so schlimm Fehler zu machen, da man aus ihnen sehr viel lernen kann.

Immer den gleichen Fehler zu machen, zeugt allerdings von geringer Reflexionsfähigkeit. Es gibt genügend neue, die man begehen kann. Wer hinfällt, sollte aufstehen und einfach weitermachen. Alle erfolgreichen Menschen haben Fehler gemacht und aus ihnen gelernt. Wenn man als Kind allerdings ständig ermahnt worden ist, nur nichts falsch zu machen, ist man irgendwann ängstlich – und damit festgefahren. Was heute falsch ist, kann morgen richtig sein – das Leben ändert sich ständig. Wer Fehler macht, kann sich dadurch möglicherweise über seinen wahren Wert und seine Begabungen klar werden. Daraus entsteht Selbstbewusstsein.

In der Niederlage kann man den Sinn im Leben finden

Die medizinisch gesehen korrekte Diagnose für einen Burn-out lautet „latente Depression oder Erschöpfungssyndrom“. Diese hat aber eher den negativen Beigeschmack der Überforderung: Man hat es „nicht geschafft“. Dagegen hat die Diagnose Burn-out etwas Positives: Die Hemmschwelle, jemanden davon zu erzählen, ist wesentlich geringer als zuzugeben, dass man eine Depression hat. Burn-out ist weniger tabuisiert, genießt oft sogar gesellschaftliche Anerkennung. Irgendwann ist das Ego bei einem Burn-out an einen Punkt gelangt, an dem es nicht mehr kann. Es gibt auf – aber dies ist für den Betroffenen auch eine Chance.

Klaus Biedermann weiß: „Aus diesem Moment der Niederlage kann man erwachen und den Sinn im Leben finden.“ Klassische Behandlungen dagegen versuchen die Symptome zu behandeln. Der Arzt wird vielleicht zu einer Auszeit raten, ein wenig Sport an der frischen Luft empfehlen oder seinen Patienten zu einer mehrwöchigen Kur schicken. Die Krux daran ist: Wenn der Betroffene dem Rat der Ärzte folgt und einige Zeit zu Hause bleibt, sind die Ursachen keineswegs behoben. Ein auf Karriere ausgerichteter Mensch kann auf diese Weise erst recht eine handfeste Depression entwickeln. Quelle: „Burn-In statt Burn-Out“ von Klaus Biedermann

Von Hans Klumbies