Paul Nolte würdigt das Zeitalter der klassischen Revolutionen

Für Paul Nolte, der Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin lehrt, ist ohne die Dynamik von Revolutionen die Entstehung moderner Demokratien und Republiken kaum vorstellbar. Die Sehnsucht der Menschen nach Innovationen und Freiheit kam mit dem Anspruch zusammen, Gesellschaft und Politik nach eigenen Maßstäben zu entwickeln: Politische Herrschaft sollte das Werk der Menschen selbst sein. Und schon im 18. Jahrhundert war zu erkennen, dass die Prinzipien der Demokratie die sozialen Beziehungen und das Leben im Alltag nicht unberührt lassen konnten – denn das politische Gefüge der Institutionen stand nicht am Ende des Prozesses. Paul Nolte schreibt: „Im 19. Jahrhundert beschleunigte sich die demokratische Entwicklung auch in Deutschland in einer Revolution. Selbst wenn es immer wieder stille, evolutionäre Wege der Demokratisierung gibt – die enge Verbindung mit revolutionären Ereignissen bleibt bis in die Gegenwart erhalten.“

In Frankreich und Amerika entwickeln sich demokratische Prinzipien

Demokratie und Revolution sind laut Paul Nolte sogar so etwas wie ein Geschwisterpaar. Das späte 18. Jahrhundert kann man als Epoche der demokratischen Revolution bezeichnen. Sowohl in Frankreich als auch in Amerika schälten sich langsam demokratische Prinzipien heraus. Dennoch entstand weder in den ehemaligen britischen Kolonien noch in Frankreich bis zum Jahr 1800 eine moderne Demokratie, da die Revolutionäre sie auch gar nicht errichten wollten. Es ging vielmehr um die Kritik an der Monarchie, aber schon auch um individuelle Freiheiten wie die des Eigentums, der Meinung und der Ausübung der Religion.

Paul Nolte ist jedoch davon überzeugt, dass ohne die Amerikanische und Französische Revolution die Entstehung der modernen Demokratie kaum vorstellbar wäre. Das liegt seiner Meinung nach nicht nur an den Forderungen, die damals erhoben wurden, und an den Institutionen, wie beispielsweise Parlamenten und Verfassungen, die damals entstanden. Demokratisch waren diese Revolutionen auch deshalb, weil sie einfache Menschen auf nie dagewesene Weise miteinbezogen in den Protest gegen eine autoritäre Herrschaft.

Die Vorzüge der Demokratie und Republik waren nicht ohne Risiko zu haben

Demokratisch war laut Paul Nolte auch der bisweilen äußerst radikale Anspruch auf Freiheit und Gleichheit. Damit war ein neuer politischer Maßstab gesetzt, der teilweise bis in die Gegenwart gilt – für Menschen, die in einer Diktatur leben müssen und Kritiker, die Missstände in einer unzureichenden Demokratie anprangern. Paul Nolte schreibt: „Demokratisch war schließlich der damals geradezu unerhörte Anspruch, gegen alle Tradition eine ganz neue Ordnung zu schaffen, mit der Revolution gewissermaßen ein neues Kapitel der Geschichtsbücher aufzuschlagen.“

Euphorie und Verunsicherung gleichermaßen begleitete die Menschen, die im späten 18. Jahrhundert Freiheit und Gleichheit forderten. Denn die Innovationen der Demokratie und Republik waren nicht ohne Risiko zu haben. Die Menschen konnten sich jetzt nicht mehr auf die Tradition und das Gottesgnadentum ihrer Herrscher verlassen, sondern brauchten Politiker, deren Tugenden als demokratische Bürger allerdings unsicher waren. Paul Nolte fasst zusammen: „Insofern liegt in den klassischen Revolutionen, wie sie oft genannt werden, eine Wurzel des heutigen Verständnisses von Demokratie als einer fehlbaren, einen nicht perfekten, einer schwachen Herrschaftsordnung.“

Von Hans Klumbies

 

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