Patrick Eiden-Offe bewahrt Hegels Denken

„Die Wissenschaft der Logik“ von Georg Wilhelm Friedrich Hegel ist ein weitgehend ungelesenes Hauptwerk der Philosophiegeschichte. Patrick Eiden-Offe hat sich die Aufgabe gestellt, die „Logik“ jeden Morgen eine Stunde zu studieren, konsequent von Anfang bis Ende. Seine Erkenntnisse hat er in dem Buch „Hegels Logik lesen“ festgehalten. Dabei hat er einen Philosophen entdeckt, dessen radikales Denken zu einer ganz eigenen, hermetischen Sprache drängt. Diese ist allenfalls noch mit der Friedrich Hölderlins vergleichbar. Georg Wilhelm Friedrich Hegel will der Sache auf den Grund gehen und kann dann nur noch protokollieren, wie sie zugrunde geht. Überraschenderweise trägt seine Philosophie zudem die Züge eines abgründigen Humors. Georg Wilhelm Friedrich Hegel ist aber auch ein Philosoph des Politischen, und so wurde und wird er immer rezipiert.

Die Dialektik ist ein Weltprinzip

Das ganze 20. Jahrhundert zog man Georg Wilhelm Friedrich Hegel als Ratgeber in Krisen- und Umbruchsituationen heran. Patrick Eiden-Offe ist aufgefallen, dass das Lesen der „Logik“ gar nicht so sehr ein neues Wissen erzeugt, sondern vor allem Gerüchte und angemaßtes Wissen zerstört. Der Autor lässt die Dialektik hochleben, auch und gerade in finsteren Zeiten. Sie lebe hoch, nicht als ein Ordnungswissen, sondern als eine Sichtweise, die jene Unordnung sichtbar macht, auf der sich jede Ordnung erhebt.

Wenn die Dialektik ein Weltprinzip ist, dann muss sie nach Bertolt Brecht als ein „humoristisches Weltprinzip“ gelten. Die „Logik“ ist die Handreichung, ein Einübungsbuch, das den Leser in das dialektische Denken hineinführt, sobald er sie liest. In den ersten drei Kapiteln erprobt Patrick Eiden-Offe in drei Anläufen verschiedene Zugänge zur „Logik“: über den Humor, die Erfahrung und die Ästhetik. Zusammengenommen ergeben die drei Kapitel eine Einleitung.

Die „Logik“ begründet kein System

Dass die „Logik“ keinen rechten Schluss finden kann, ist für Patrick Eiden-Offe zunächst einmal wenig überraschend. Immerhin wurde schon auf der ersten Seite der „Einleitung“ angekündigt, dass der Schluss der „Logik“ wieder zurück in den Anfang führt. Die „Logik“ begründet nichts, am allerwenigsten ein System, sie zeigt vielmehr in aller Breite und Souveränität dessen Unbegründbarkeit. Ausgerechnet die Grenzen des Buches markieren eine „epoché“ im System, in dem doch immer alles mit allem zusammenhangen soll.

Aus dem Denken und Schreiben von Georg Wilhelm Friedrich Hegel kann Patrick Eiden-Offe einen Trost ziehen – oder aber das Gefühl des Trostes erklären, dass er beim Lesen der „Logik“ verspürt hat: „Es ist noch immer anders gekommen.“ Bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel geht es um die Geste der Billigung des Geschehenen, die abwägt, ohne zu verurteilen. Das, was ist, geht auf das zurück, was man getan hat. Es war sicher nicht die einzige Art, in der es getan werden konnte. Sondern das eigene Tun war immer auch von Zufällen und Zwängen bestimmt.

Hegels Logik lesen
Ein Selbstversuch
Patrick Eiden-Offe
Verlag: Matthes & Seitz
Gebundene Ausgabe: 250 Seiten, Auflage: 2021
ISBN: 978-3-75108-302-1, 25,00 Euro

Von Hans Klumbies

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