Die Dialektik lebe hoch

Patrick Eiden-Offe fordert: „Die Dialektik, sie lebe hoch – auch und gerade in finsteren Zeiten. Sie lebe hoch, nicht als ein Ordnungswissen. Sondern als eine Sichtweise, die jene Unordnung sichtbar macht, auf der sich jede Ordnung erhebt.“ Die Dialektik lebe hoch als Einübung in einen Blick, der selbst noch in den finstersten Machenschaften der Gegenwart die Komödie zu erblicken vermag. Und in der Komödie die nicht zu unterdrückende Tendenz jeder Ordnung zu erkennen, sich selbst zu entlarven. Wenn die Dialektik ein Weltprinzip ist, wie es die Hegelianer aller Zeiten immer wieder behauptet haben, dann muss sie nach Bertolt Brecht als „humoristisches Weltprinzip“ gelten. Nämlich als ein Weltprinzip davon, dass es kein Weltprinzip geben kann. Ja, es ist eine Komödie, auch und gerade, wenn es nichts zu lachen gibt. Patrick Eiden-Offe ist Literatur- und Kulturwissenschaftler.

Eine Komödie kann man in allem entdecken

Georg Wilhelm Friedrich Hegel übt die Menschen ein, die Komödie in allem zu entdecken und als solche zu handhaben. Die „Wahrheit“ liegt nicht hinter der Komödie, sondern darin. Das bedeutet, das politische Spiel überhaupt erst als Spiel, als Schauspiel: als Komödie sehen zu lernen. Patrick Eiden-Offe erläutert: „Dialektische Begriffe bieten eine Handhabe, keine Ewigkeitsbehauptung einfach so stehen zu lassen. Das mag wenig sein angesichts der Monstrosität der Weltlage. Aber auch wenig angesichts der Welterklärungsansprüche, die mit dem Hegelianismus und dem einmal verbunden waren.“

Aber im Abgleich mit dem, was im Moment sonst theoretisch und politisch im Angebot ist, ist dieses wenige immer noch viel. Immer beide Seiten im Spiel zu halten, ohne sich in einseitige Bestimmungen zu verlieren. Das erfordert jene Einübung, die das dialektische Denken selbst schon ist. Deshalb muss Hegel immer wieder gelesen werden. Man kann ihn gar nicht nur einmal lesen, wenn man die eigene jeweilige Gegenwart verstehen will. Die „Logik“ aber ist die Handreichung, das Ein-Übungsbuch, das den Leser in das dialektische Denken hineinführt, indem er sie liest.

Die „Logik“ ist ein System der reinen Vernunft

Die ersten drei Kapitel dieses Buches erproben in drei Anläufen verschiedene Zugänge zur „Logik“. Erstens über den Humor, zweitens über die Erfahrung und drittens über die Ästhetik. Zusammengenommen ergeben die drei Kapitel eine Einleitung, die sich nicht auf einen Zugang reduzieren lassen kann und will. In den folgenden Kapiteln wird dann jeweils die Abfolge von Humor, Erfahrung und Ästhetik durchgeführt, ohne dass diese freilich allzu zwanghaft eingehalten würde. Sie soll der Leser bloß als Geländer nehmen, nicht schon als die Sache selbst.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel war 42 Jahre alt, als 1812 der erste Band der „Logik“ erschien und 46 bim Erscheinen des dritten. Männer dieses Alters machen oft albernere Dinge, als sich einzubilden, die Gedanken Gottes vor der Schöpfung aufschreiben zu können: „Die Logik ist sonach als das System der reinen Vernunft, als das Reich des reinen Gedankens zu fassen. Dieses Reich ist die Wahrheit selbst, wie sie ohne Hülle und für sich selbst ist. Man kann sie deswegen ausdrücken, dass dieser Inhalt die Darstellung Gottes ist, wie er in seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes ist.“ Quelle: „Hegels Logik lesen“ von Patrick Eiden-Offe

Von Hans Klumbies