Gewaltlosigkeit sollte überall herrschen

Steht derjenige, der Gewaltlosigkeit praktiziert, in Beziehung zu demjenigen, gegen den Gewaltanwendung erwogen wird, dann scheint zwischen beiden ein vorgängiger sozialer Bezug zu stehen. Sie sind Teil voneinander, das eine Selbst ist im anderen impliziert. Judith Butler erläutert: „Gewaltlosigkeit wäre dann eine Weise, diesen Bezug anzuerkennen, so belastet er auch sein mag. Und auch die normativen Zielsetzungen zu bejahen, die sich aus diesem schon bestehenden sozialen Bezug ergeben.“ Daher kann eine Ethik der Gewaltlosigkeit nicht in Individualismus gründen. Sondern sie muss eine führende Rolle in der Kritik des Individualismus als Basis sowohl der Ethik als auch der Politik spielen. Eine Ethik und Politik der Gewaltlosigkeit müssen der wechselseitigen Weise Rechnung tragen, die das Leben der Selbste miteinander verbindet. Judith Butler ist Maxine Elliot Professor für Komparatistik und kritische Theorie an der University of California, Berkeley.

Weiterlesen

Viktor Orbán verbreitet Judenhass

Der Judenhass führt kein Schattendasein mehr, wieder einmal sucht er das Licht der Öffentlichkeit. Roger de Weck nennt ein Beispiel: „Aktueller Codename für das ewige Feindbild ist „Soros“, nämlich der jüdische Amerikaner und gebürtige Ungar, der Bürgerrechtler Georg Soros.“ Viktor Orbán stempelte ihn zum Bösewicht, und seither nutzen Reaktionäre seinen Namen als Chiffre einer angeblichen „jüdischen Weltverschwörung“. Orbán hat die antisemitische Häme als uraltes, brandneues Mittel der Politik weidereingeführt. Er liegt damit auf einer Linie mit dem deutschen Rechtsextremisten und Verleger Götz Kubitschek. Dessen Antaios-Verlag erzielte einen Verkaufserfolg mit dem antisemitischen Buch „Finis Germania“. „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte“, befindet die AfD-Politikerin Alice Weidel. Reaktionäre trauern der Zeit nach, in der die weiße Mehrheit das Vokabular bestimmte. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom

Weiterlesen

Oded Galor erzählt die Geschichte der Menschheit neu

Der renommierte Ökonom Oded Galor untersucht in seinem neuen Buch „The Journey of Humanity“ die Entwicklungen die zu Wohlstand und Ungleichheit führten. Er verschmilzt dabei Erkenntnisse aus unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen. Dabei entsteht eine große welt- und zeitumspannende Theorie, welche die Geschichte der Menschheit neu erzählt. Verhältnis zur langen Geschichte des Homo sapiens hat die Menschheit praktisch über Nacht eine dramatische und beispiellose Verbesserung der Lebensqualität erfahren. Wie der englische Philosoph Thomas Hobbes im 17. Jahrhundert konstatierte, war das menschliche Leben damals „ekelhaft, tierisch und kurz“. Das meiste, was die Menschen heute plagt, ist nichts im Vergleich zu dem Elend und den Tragödien, die sich vor rund 400 Jahren abspielten. Heute genießen viele Nation beispielslosen Wohlstand. Aber es gibt immer noch andere, die den Sprung aus der wirtschaftlichen Stagnation noch nicht geschafft haben.

Weiterlesen

Steinwerkzeuge gibt es seit drei Millionen Jahren

Die Vorläufer des Homo sapiens stellten vor mehr als drei Millionen Jahren die ersten Steinwerkzeuge her. Schon damals war die schöpferische Intelligenz schon lange nichts Neues mehr. Ein Werkzeug herzustellen, das man später für einen bestimmten Zweck einsetzt, erfordert Einsicht, Planung und Vorstellungskraft. Stefan Klein erklärt: „Erst nach vielen Arbeitsgängen ist aus einem rohen Stein eine Klinge geformt. Jeder einzelne Schritt verlangt eine präzise Idee von dem, was noch nicht ist, aber sein soll.“ Nur Menschenaffen und einige Vögel bringen die zur Werkzeugherstellung nötigen geistigen Voraussetzungen mit. Aber nur die Menschen haben es so weit gebracht, Gene zu entschlüsseln, Symphonien zu komponieren und ihre Zeit in Videokonferenzen zu verbringen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

Weiterlesen

Hegel ist der Philosoph der Drei

Der Georg Wilhelm Friedrich Hegel der Ordnung und des Systems ist der Philosoph der Drei: des dialektischen Dreischritts von These, Antithese und Synthese. Patrick Eiden-Offe stellt fest: „Und tatsächlich ist die „Logik“ ein Buch – ein Buch aus drei Büchern natürlich – das von einer regelrechten Triadomanie strukturiert wird.“ Die Drei ist die obsessive Ordnungsmacht, die dem Leser schon bei einer oberflächlichen Betrachtung der Gliederung entgegenkommt. Und in der Tat verrät diese ubiquitäre Dreiteilung viel über Struktur und Funktionsweise dieses Denkens. „Die Logik der Triaden“ setzt sich aus drei Büchern zusammen. Nämlich aus der „Lehre vom Sein“, der „Lehre vom Wesen“ und der „Lehre vom Wesen“. Alle drei Bücher sind jeweils auf mindestens drei Stufen wiederum triadisch gegliedert. Patrick Eiden-Offe ist Literatur- und Kulturwissenschaftler.

Weiterlesen

Ein Sturm aus Wissen fegt über die Menschen

Bibliotheken sind Monumente der Ära des Wissens. Ihr Umfang lässt erkennen, dass über die Menschen ein Sturm aus Wissen hereingebrochen ist, mit dem sie erst lernen müssen zu leben. Ille C. Gebeshuber fügt hinzu: „Um in der Welt des Wissensüberangebots zu überleben, haben die modernen Menschen sich anpassen müssen. Sie haben dazu spezielle Strategien entwickelt. Die wichtigste davon ist das Ausblenden von Informationen.“ Zudem haben viele Menschen gelernt, sehr schnell und selektiv zu lesen. Eine Kunst, die nicht einfach ist und dabei auch in Kauf nimmt, dass so manches übersehen wird. Fehlen dann Informationen, ist dies oft kein Problem, denn die heute gezielte Suche im Internet fördert sie schnell zu Tage. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

Weiterlesen

Zarathustra ist nicht Friedrich Nietzsche

Die vom persischen Religionsstifter Zoroaster inspirierte Figur des Zarathustra erscheint nicht nur als Verkünder großer Wahrheiten und Prediger. Sondern er tritt auch als Philosoph in Erscheinung, der sich radikal einer skeptischen Selbstvergewisserung aussetzt. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „So wenig Friedrich Nietzsches „Zarathustra“ ein philosophisches Werk im traditionellen Sinne ist, so wenig handelt es sich um eine poetische Fiktion.“ Der eher an der Sprache der Evangelisten denn an orientalische Vorbilder gemahnende Stil ist von einer außergewöhnlichen Geschmeidigkeit. Der Duktus oszilliert zwischen übersteigertem Pathos und nüchterner Selbstbefragung. Die Figur des Zarathustra darf man jedoch nicht mit Friedrich Nietzsche identifizieren. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

Weiterlesen

Das Publikum der Tragödie erlebt eine Katharsis

Doch was ist mit den Tragödien? Sind sie Manifestationen des anthropologischen Universums des Weinens? Oder sind sie Ausdruck einer anderen „tragischen universellen Erfahrung? Identifizieren Tragödien einen Menschen mit sich selbst, wurzeln sie in Selbstmitleid? Ágnes Heller antwortet: „Es ist leicht zu erkennen, dass das Gegenteil der Fall ist. Auch in diesem Punkt war Aristoteles das Genie, das das Offensichtliche erfand. Das Publikum, Zielgruppe einer Tragödie, erlebt eine „Katharsis“. Katharsis ist die Befreiung von unseren eigenen Ängsten und unserem Selbstmitleid, die „Reinigung unserer Seele“ von der Identifikation mit uns selbst.“ Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

Weiterlesen

In der Republik Venedig herrscht die Freiheit

Der Dogenpalast in Venedig ist ein politisches Manifest in Stein, das sich an die eigenen Bürger und an die ganze Welt wendet. Die Botschaft für die Venezianer lautet: Ihr lebt in der besten aller politischen Welten! Für alle anderen blieben nur Neid und Nachahmung übrig. Jedes Bauelement des Palastes hat für Volker Reinhardt seine eigene Aussage. Das stärkste Bollwerk aber ist die Freiheit, die in der Republik herrscht. Der Regierungssitz des Staatsoberhaupts braucht daher keine Mauern gegen außen und erst recht keine Schutzwälle nach innen. Denn hier herrschen Offenheit und Transparenz. Die untere Hälfte der Südfassade besteht aus zwei Loggien, die sich harmonisch übereinander schichten. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

Weiterlesen

Der Geist bringt technische Innovationen hervor

Ein Grund für die Hochschätzung der geistigen Leistung kann bereits ihrem Anteil an den technischen Innovationen entnommen werden. Ein prominentes Beispiel für eine echte Erfindung ist bekanntlich das Rad. Für dieses hat es kein Vorbild in der Natur gegeben. Volker Gerhardt erklärt: „Konstruktion und Installation eines Rads verdanken wir allein dem geistigen Einfall eines homo sapiens.“ Ob die Idee aber etwas taugt, zeigt sich nur im folgenden Fall. Ein geschickter homo faber muss in der Lage ist, ein sich drehendes und belastbares Rad zu bauen, das der praktischen Belastung standhält. Für Volker Gerhardt haben homo sapiens und homo faber vieles gemeinsam. Aus den modernen Unterscheidungen zwischen den beiden Typen geht das nicht hervor. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

Weiterlesen

Erinnerungen muss man mit Skepsis begegnen

In seinem neuen Buch „Die Jahreszeiten der Ewigkeiten“ gibt es das Kapitel „Intermezzo I“. Dort setzt sich der Karl-Markus Gauß mit Sprache und Identität auseinander. Der Autor schreibt: „In der Sprache erfahren wir als Erstes die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, und in der Sprache wird diese später täglich erlebt. Aber das Sprechen selbst ist nicht er wichtigste Akt, mit dem sich uns diese Zugehörigkeit erweist.“ Wichtiger als das tatsächliche Sprachvermögen ist seiner Meinung nach allerdings die soziale Spracherinnerung: an das Leid, den Mut, die Arbeit, die Hoffnungen der Vorfahren. Solche Erinnerung ist wichtig, aber man muss ihr wie jeder Erinnerung mit Skepsis begegnen. Karl-Markus Gauß lebt als Autor und Herausgeber der Zeitschrift „Literatur und Kritik“ in Salzburg. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und oftmals ausgezeichnet.

Weiterlesen

Ralf Dahrendorf fordert mehr Freiheit

Ganz besonders unter Druck ist jene Linke, der Ralf Dahrendorf 1983 den Untergang verkündet hatte: „Wir erleben das Endes des sozialdemokratischen Jahrhunderts“, schrieb der Soziologe in „Die Chancen der Krise“. Den Totenschein stellte er etwas vorschnell aus. Denn danach blühten die Sozialdemokratien in manchen Ländern so richtig auf. Und da und dort in Europa halten sie sich bis heute gut. Visionär war laut Roger de Weck aber Ralf Dahrendorfs ehrerbietige Begründung: „In seinen besten Möglichkeiten war das Jahrhundert sozial und demokratisch. An seinem Ende sind wir (fast) alle Sozialdemokraten geworden.“ Folgende Themen definierten das sozialdemokratische Jahrhundert: Wachstum, Gleichheit, Arbeit, Vernunft, Staat und Internationalismus. Dieses Themenbündel, das von allen Parteien aufgegriffen wurde, hatte für Ralf Dahrendorf „seine Möglichkeiten erschöpft“. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

Weiterlesen

Das Sinnliche dominiert die Welt

Die Menschen leben unter dem ständigen Einfluss des Sinnlichen. Dazu zählt Emanuele Coccia Gerüche, Farben, den Geschmack der Speisen, Melodien und ganz banale Geräusche. Sie sind die allererste Ursache, der Zweck und die permanente Gelegenheit des menschlichen Handelns. Emanuel Coccia erklärt: „Unsere Existenz – im Schlaf und im Wachsein – ist ein endloses Bad im Sinnlichen.“ Es sind Bilder, welche die Menschen ständig ernähren und welche die Erfahrungen am Tag und im Traum unentwegt nähren. Sie bestimmen die Wirklichkeit und den Sinn jeder menschlichen Regungen und Bewegungen. Sie sind es, die den Gedanken eines Menschen Wirklichkeit und seinen Begierden Gestalt verleihen. Die Grenzen des kreatürlichen Lebens lassen sich unmöglich an den Grenzen des anatomischen Körpers messen. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

Weiterlesen

Der Funktionalismus hat unzählige Schwächen

Die Stärke des Funktionalismus, die sich technisch bezahlbar macht, besteht darin, das Denken nicht an bestimmte interne Vorgänge im Lebewesen zu binden. Es spielt demnach keine wesentliche Rolle, wie die Funktion realisiert wird. Solange sie verwirklicht wird, liegt scheinbar ein Denkakt der relevanten Art vor. Doch der Funktionalismus hat in seiner Reinform laut Markus Gabriel unzählige Schwächen: „Das Hauptproblem des Funktionalismus besteht darin, dass er keine Beschreibung dessen liefert, was das menschliche Denken wirklich ist.“ Er handelt nicht vom Denken selbst, sondern von einem Denkmodell. Denken ist dabei die Erstellung von Modellen der Wirklichkeit. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Weiterlesen

Die Evolution verläuft unvorhersehbar

Die Geschichte der Menschen ist die einer Tierart, deren Ahnen einst auf Bäumen lebten. Diese stellte sich anschließend auf den Boden und hat sehr viel später großartige Kulturen hervorgebracht. Matthias Glaubrecht fügt hinzu: „Es ist die Geschichte des Aufstiegs eines tierischen Wesens aus den Anfängen in der Natur, das schließlich gelernt hat, diese Natur zu beherrschen.“ Dabei verlief die menschliche Evolution keineswegs derart linear und folgerichtig, wie sie rückblickend erscheinen mag. Sie führte zwar zu Vielfalt und Fülle, zu Kultur und Komplexität. Und doch darf man sie nicht als zielgerichtete Weiterentwicklung, als Fortschritt bezeichnen. Die Evolution verläuft unvorhersehbar, sie schlägt oft überraschende Wege ein. Das Erscheinen der menschlichen Spezies ist nicht der unvermeidliche Höhepunkt einer Entwicklung. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

Weiterlesen

Der Fortschritt prägt die Politik und die Kultur

Momentan herrscht unter vielen Menschen die Hybris, alles kontrollieren und beherrschen zu wollen. Es herrscht ein Hang zur Vereinheitlichung, zur Vereindeutigung und zur Monokultur. Dies hat viel mit dem Verhältnis der Menschen zu Raum und Zeit zu tun. Daniel Goeudevert fügt hinzu: „Und dieses Verhältnis ist einem permanenten Wandel unterworfen, den wir selbst, nicht zuletzt eben durch die von uns geformten Werkzeugen, stets aufs Neue antreiben.“ Denn der Fortschritt, den die Menschheit anstrebt – und dann nicht selten beklagt – ist nicht nur ingeniöser, technischer Natur. Er macht etwas mit den Menschen, er prägt die Gesellschaft, die Politik und die Kultur. Die Menschen sind aufgefordert, sich diesen Prägungen bewusst zu werden und die eigenen Verantwortlichkeiten und Gestaltungsmacht besser zu erkennen. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

Weiterlesen

Minderheiten betreiben Identitätspolitik

Phillip Hübl stellt fest: „Als Angehörige von Minderheiten und diskriminierten Gruppen betreiben Menschen oft Identitätspolitik. Sie wollen dabei die Besonderheiten ihrer Gruppe gegenüber der Mehrheitsgesellschaft sichtbar machen.“ Die Grundidee dieser Selbstbehauptung ist nicht primär, dass sie die anderen als „gleichwertig“ akzeptieren. Sondern es geht vor allem darum als „anders“, also im gleichwertig im Anderssein anerkannt zu werden. Auch wenn der Name es nahezulegen scheint, geht es Identitätspolitikern nicht darum, was einen Menschen als Individuum einzigartig macht. Sondern es geht um das, was die besonderen Gruppen definiert, denen sie angehören. Während in den USA Weiße bis heute Afroamerikaner aufgrund ihrer Hautfarbe ausgrenzen, grenzen sich Afroamerikaner nun als Gegenstrategie selbst über ihre Hautfarbe von der weißen Mehrheit ab. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

Weiterlesen

Ein authentisches Leben führt zur Zufriedenheit

Im Mittelpunkt ihres neunen Buches „Aufbrechen“ steht für Michaela Brohm-Badry die Frage, wie Menschen die Freiheit und Vitalität für neue Möglichkeiten des Denkens, Fühlens und Handelns zu gewinnen. Mitten im Leben nehmen sich manche Menschen einfach die Freiheit, aufzubrechen und ihren inneren Impulsen zu folgen. Sie lernen ein Instrument, segeln über Meere und leben ihren Traum. Michaela Brohm-Badry erklärt, wovon es abhängt, ob ein Mensch verborgene Fähigkeiten entdecken und ungelebte Seiten seiner Persönlichkeit entfalten kann. Das Buch „Aufbrechen“ handelt unter anderem davon, was lebendiges Menschsein sein kann. Michaela Brohm-Badry betont: „Wer ein authentisches Leben führt, lebt ein volles Leben, und diese Zufriedenheit überträgt sich auf alles, was im Umfeld lebt.“ Prof. Dr. Michaela Brohm-Badry ist Professorin für Lernforschung. Sie war langjährige Dekanin des Fachbereichs Erziehungs- und Bildungswissenschaften, Philosophie und Psychologie an der Universität Trier.

Weiterlesen

Natural Wines haben oft eine gewisse Exzentrik

Es gibt eine hitzige ideologische Debatte. Auf der einen Seite stehen die Befürworter des „konventionellen“ Weinbaus. Diese nutzen für den gewünschten Wein Pestizide im Weinberg und Chemikalien bei der Weinbereitung. Auf der anderen Seite stehen die Anhänger des „natürlichen“ Weinbaus. Diese erzeugen die Trauben biologisch-dynamisch und verzichten bei der Weinbereitung auf Zuckerzugabe, Schwefelung, Säureregulierung, Schönen und Filtrieren. Nach der Erfahrung von Aldo Sohm haben Natural Wines oft eine gewisse Trübheit, Exzentrik und Flüchtigkeit. Dem Traubenmost des Natural Wine wird nichts zugesetzt, um den Geschmack zu beeinflussen. Eingriffe in den Gärungsprozess werden auf ein Minimum beschränkt. Nicht alle Natural Wines sind zertifizierte Bioweine. Nicht alle biologischen oder biodynamischen Weine sind Natural Wines. Der Österreicher Aldo Sohm ist einer der renommiertesten Sommeliers der Welt, eine Legende seiner Branche. Christine Muhlke ist Redakteurin des Feinschmecker-Magazins „Bon Apppétit“.

Weiterlesen

Die Anzahl der absolut Armen ist gesunken

Es wird alles besser und schlechter zugleich. So fasst Heinz Bude die Entwicklung der globalen Ungleichheit in den letzten dreißig Jahren zusammen. Zuerst das Positive: Die Anzahl der absolut Armen ist seit 1993 von zwei Milliarden auf eine Milliarde Menschen im Jahr 2012 gesunken. Das sind Menschen, die weniger als 1,90 Dollar pro Tag zur Verfügung haben. Ähnliches kann man für die Entwicklung der Kindersterblichkeit, der Lebenserwartung oder der Bildungsbeteiligung von Mädchen in bisher als unterentwickelt angesehenen Gesellschaften feststellen. Heinz Bude fügt hinzu: „Die sofortigen Einwände im Blick auf Zentralafrika und Südasien liegen auf der Hand. Man darf in der Tat große regionale Unterschiede im globalen Trend nicht unterschlagen.“ Seit dem Jahr 2000 ist Heinz Bude Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

Weiterlesen

Adam Smith erklärt den Wohlstand der Nationen

Adam Smiths berühmtes Buch von 1776, „Der Wohlstand der Nationen“, ist ein guter Ausgangspunkt, um zu verstehen, wie Nationen gedeihen. Joseph Stiglitz erläutert: „Es gilt weithin als das Werk, dass die moderne Volkswirtschaft begründetet.“ Adam Smith kritisierte darin zu Recht den Merkantilismus. Das war jene wirtschaftliche Denkschule, die in Europa während der Renaissance und im frühen Industriezeitalter vorherrschte. Die Merkantilisten plädierten dafür, möglichst viele Güter zu exportieren, um so an Gold zu kommen. Sie glaubten, dies würde den Reichtum ihrer Volkswirtschaften erhöhen und die politische Macht ihrer Nationen steigern. Heute schmunzelt man eher über diese naiven Vorstellungen. Denn Gold in einer Schatzkammer zu horten, sorgt nicht für einen höheren Lebensstandard. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

Weiterlesen

Manchmal muss man das Weltbild radikal verändern

Carlo Rovelli vertritt die These, dass ein wichtiger Teil der wissenschaftlichen Methodologie ihren Ursprung in der Schule von Milet, vor allem im Denken Anaximanders hat. Gestützt wird seine Vermutung durch den milesischen Naturalismus, dem erstmaligen Gebrauch von theoretischen Begriffen oder der Vorstellung von Naturgesetzen. Dass die Naturgesetze die Notwendigkeit der Abfolge von Ereignissen bestimmen, geht auf die Schule von Milet zurück. Vor allem vermittelte Milet der Welt diese einzigartige Kombination aus Respekt und Kritik im selben intellektuellen Gebiet. Dort entstand auch die allgemeine Idee, dass die Welt nicht so sein muss, wie sie den Menschen erscheint. Um wie Welt besser zu verstehen, kann es notwendig sein, das existierende Weltbild radikal zu verändern. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik an der Universität Marseille.

Weiterlesen

Die Moral unserer Zeit ist sensibel für Schmerzen

Die Moralvorstellungen haben sich verändert. Alexander Somek stellt fest: „Das betrifft nicht nur ihren Inhalt, sondern auch das Gehabe, die Art also, wie sie auftreten. Mehr als je zuvor ist die Moral unserer Zeit sensibel für das Auftreten von Verletzungen und Schmerzen.“ Das geht so weit, dass allem, was verletzbar und leidensfähig gilt, moralischer Status zugeschrieben wird, selbst wenn es nicht menschlich ist. Tiere haben unterdessen ihren festen Platz in der Moral bekommen. Was zwischenmenschliche Beziehungen angeht, hat die Moral ein Gespür für Formen des Leidens entwickelt, die auf symbolischer Distanzierung und mehr oder weniger subtiler Herabsetzung beruhen. Rassistische Sprüche, sexistische Bilder oder verächtliche Gesten werden zur Zielscheibe von Kritik und Ächtung. Alexander Somek ist seit 2015 Professor für Rechtsphilosophie und juristische Methodenlehre an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.

Weiterlesen

Die Weltordnung justiert sich neu

Das Philosophie Magazin Nr. 04/2022 stellt im Titelthema die Frage „Wohin steuert die Geschichte?“ Die Antworten darauf sind vielfältig und beschäftigen Philosophen von der Antike bis zur Gegenwart. Jetzt da der Ukrainekrieg die Welt in große Ungewissheit stürzt und die Weltordnung sich neu justiert, ist sie drängender denn je. Es gibt eine Disziplin, die seit jeher versucht, Gesetze im Gang der Geschichte zu erkennen. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler kennt sie: „Die Geschichtsphilosophie ist es, die versteckte Logiken aus der scheinbaren Willkür herauspräpariert, um die menschliche Gattung in einen überwölbenden Gesamtkontext zu stellen.“ Wird Hegel recht behalten? Ist der Krieg eine dialektische Volte, die den Pfad des Fortschritts schlussendlich vorantreiben wird. Friedrich Nietzsche dagegen ging von einen zyklischen Geschichtsverlauf aus: Dann wäre der Krieg die Wiederkehr des Immergleichen, aus dem es kein Entrinnen gibt.

Weiterlesen

Der Staat muss das Leben der Bürger schützen

Zu Beginn des Jahres 2020 war das Missverhältnis zwischen Pandemierisiko und den Investitionen in die globale öffentliche Gesundheit geradezu grotesk. Von „Markversagen“ zu sprechen, untertreibt freilich, worum es im Kern der Sache geht. Adam Tooze erklärt: „Was bei der Reaktion auf pandemische Bedrohungen auf dem Spiel steht, ist nicht nur ein ungeheurer wirtschaftlicher Wert. Es geht vielmehr um grundlegende Fragen der sozialen Ordnung und der politischen Legitimität.“ Denn das Versprechen das Leben seiner Bürger zu schützen, ist eine der Grundlagen des modernen Staates. Im Jahr 2020 ließ sich die Vorstellung, dass es sich bei Covid „nur um eine Grippe“ handelte, schwerer verkaufen, als es sich ihre Verfechter vorgestellt hatten. Adam Tooze lehrt an der Columbia University und zählt zu den führenden Wirtschaftshistorikern der Gegenwart.

Weiterlesen