Die Moral wird zur Komplizin des Bösen

Die begründungsabstinente Unbekümmertheit der Moral in der Gegenwart manifestiert sich an der Identifizierung sexistischer oder rassistischer Signale. Über deren verwerflichen Charakter herrscht große Einmütigkeit. Bei der Einmütigkeit handelt es sich jedoch nicht um den zwanglosen Zwang des besseren Arguments. Alexander Somek fragt: „Ist eine Darstellung dann sexistisch, wenn sie Frauen als Sexualobjekte zeigt, obwohl doch das wechselseitige Sich-Zum-Objekt-Machen zur Sexualität gehört?“ Es wäre doch wohl verkehrt anzunehmen, dass durch die Affirmation des Umstands, dass heterosexuelle Männer auf Frauen stehen, die Unterordnung der Frau unter den Mann ratifiziert wird. Wäre die „Heteronormativität“ der Skandal, dann müsste auch gezeigt werden, in welchem Zusammenhang sie mit dem männlichen Sexismus steht. Alexander Somek ist seit 2015 Professor für Rechtsphilosophie und juristische Methodenlehre an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.

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In Deutschland herrscht eine geringe Chancengleichheit

Die Ungleichheit bei den Markteinkommen in Europa zählt hierzulande zu den höchsten und ist fast so hoch wie in den USA. Das reflektiert eine geringe Chancengleichheit und damit auch eine niedrige soziale Mobilität. Marcel Fratzscher weiß: „Das liegt darin begründet, dass das Einkommen der Spitzenverdiener überwiegend aus Unternehmensbesitz resultiert. Fast 80 Prozent dieser Unternehmen befinden sich in der Hand von Familien.“ Diese können ihren Besitz dank großzügiger Ausnahmeregelungen der Erbschaftssteuer fast steuerfrei an die nächste Generation weitergeben. Zum anderen sind die zu geringe Qualität und die fehlende Inklusion innerhalb des Bildungssystems eine Ursache dafür. In Deutschland hängen die Bildungs- und Berufschancen nur sehr begrenzt von den Talenten und Fähigkeiten der jungen Menschen, sondern viel mehr von Einkommen und Bildungsgrad ihrer Eltern ab. Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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In Krisen sind Menschen emotional verunsichert

Vielleicht basieren viele kleine und große Krisen auf völlig falschen Perspektiven. Christian Uhle fügt hinzu: „Vielleicht erkennen Menschen in solchen Situationen keine tiefere Wahrheit, sondern sind emotional verunsichert. Vielleicht ist das Leben durch und durch sinnvoll, nur manchmal sehen wir das nicht und verlieren unser Gefühl für den Sinn.“ Fakt ist, dass die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens mit Empfindungen von Sinnlosigkeit umgehen müssen. Wie kann ein Mensch solche Erfahrungen besser verstehen? Ebenso wie die Liebe zu den eigenen Eltern ganz anders ist als die stürmische Verliebtheit am Anfang einer romantischen Beziehung, so hat auch das Gefühl der Sinnlosigkeit tausend Gesichter. Wie die Liebe lässt es sich nicht präzise beschreiben, sondern nur umkreisen. Das Anliegen des Philosophen Christian Uhle ist es, Philosophie in das persönliche Leben einzubinden.

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Echtes Vermögen sieht man nicht

Geld steckt voller Ironie, eine wichtige lautet: Vermögen ist, was man nicht sieht. Morgan Housel weiß: „Wer einen Ferrari herumfahren sieht, hält den Besitzer meist automatisch für reich – auch wenn er ihn kaum beachtet.“ Doch nachdem Morgan Housel einige der Fahrer näher kennengelernt hatte, merkte er, dass sie beileibe nicht alle wohlhabend waren. Viele hatten nur mäßigen Erfolg, steckten dafür aber einen Großteil ihres Einkommens in ihr Auto. Jemand, der mit einem 100.000-Dollar-Auto herumfährt, mag reich sein. Aber im Grunde weiß man nur, dass er 100.000 Dollar weniger besitzt als vor dem Kauf des Autos – oder 100.000 Dollar mehr Schulden hat. Das ist alles, was man über ihn weiß. Morgan Housel ist Partner bei der Risikokapitalgesellschaft The Collaborative Fund.

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Die Forschung konstruiert ein Bild der Welt

Das explizite Ziel wissenschaftlicher Forschung ist nicht, korrekte quantitative Vorhersagen zu machen, sondern zu verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Was bedeutet das? Carlo Rovelli antwortet: „Es bedeutet, ein Bild der Welt zu konstruieren. Das heißt eine konzeptuelle Struktur des Denkens über die Welt zu entwickeln, die effizient und kompatibel mit dem ist, was wir über sie wissen.“ Die Naturwissenschaften existieren, weil die Menschheit sehr wenig weiß und unzählige falsche Annahmen hegt. Wissenschaft wird aus dem geboren, was die Menschen nicht wissen und dem Bezweifeln dessen, was sie zu wissen meinen. Diese Meinung hält aber einer rationalen Überprüfung oder einer kritischen Analyse nicht stand. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Vaclav Smil weiß wie die Welt wirklich funktioniert

Vaclav Smil vertritt in seinem neuen Buch „Wie die Welt wirklich funktioniert“, dass bei den meisten Menschen ein hochgradiges Unverständnis für die grundlegende Funktionsweise der modernen Welt besteht. Zwei wichtige Ursachen für dieses auf Ignoranz zustrebende Verständnisdefizit heißen Verstädterung und Mechanisierung. Die meisten heutigen Stadtbewohner haben jeden persönlichen Bezug nicht nur zur Erzeugung von Lebensmitteln verloren, sondern auch zu der Art und Weise, wie man Maschinen und Geräte baut. Es gibt einen zweiten Hauptgrund für das schwache und weiter nachlassende Verständnis, mit denen man Energie und Baumaterialien erzeugt. Sie haben das Image bekommen, unmodern, wenn nicht sogar obsolet geworden zu sein. Jedenfalls ausgesprochen uncool im Vergleich zur Welt der Medien, Informationen, Daten und Bildern. Vaclav Smil ist Professor Emeritus für Umweltwissenschaften an der University of Manitoba. Er hat unter anderem das Grundlagenwerk „Energy and Civilization“ geschrieben.

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Algorithmen benötigen eine stabile Welt

Beim Online-Dating hat zwar jede Person ein Profil, aber das Profil ist nicht die Person. Gerd Gigerenzer weiß: „Die Menschen neigen dazu, ihre Profile zu schönen. Und selbst wenn sie gewissenhaft zu Werke gehen, wird das Profil nicht der Vielschichtigkeit eines Menschen gerecht.“ Allgemeiner kommt diese Erkenntnis im „Prinzip der stabilen Welt“ zum Ausdruck. Komplexe Algorithmen arbeiten am zuverlässigsten in wohldefinierten, stabilen Situationen, in denen große Datenmengen zur Verfügung stehen. Die menschliche Intelligenz dagegen hat sich entwickelt, um Ungewissheit zu bewältigen, unabhängig davon, ob Big oder Small Data vorliegen. Die Regeln von Schach oder Go sind wohldefiniert und insofern stabil, als sie heute und morgen gelten. Gerd Gigerenzer ist ein weltweit renommierter Psychologe. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der hundert einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

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Der Mensch denkt in Begriffen

Es ist berechtigt und sogar zielführend, vom menschlichen Denken auszugehen und sich von dieser relativ sicheren Position aus den Leistungen von Tieren zu nähern. Schließlich wissen Mensch sowohl aus der Ich-Perspektive als auch durch die Du-Perspektive der gegenseitigen sprachlichen Vermittlung, wie sie bestimmte Entscheidungen treffen. Und sie erkennen dadurch die Motive ihres Handelns, welche Ziele sie verfolgen und wie sich dabei fühlen. Ludwig Huber erläutert: „Dieser Erlebens-Aspekt ist von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus nehmen wir als Wissenschaftler auch noch die Perspektive der Person ein. So machen wir menschliches Denken und Handeln zu einem objektiven Untersuchungsgegenstand.“ Ein zentraler Aspekt menschlichen Denkens ist die Begriffsbildung. Ludwig Huber ist Professor und Leiter des interdisziplinären Messerli Forschungsinstituts für Mensch-Tier-Beziehungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

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Geschmack ist die weibliche Form des Genius

Geschmack bezeichnete F. Scott Fitzgerald – ganz Gentleman der alten Schule – als die weibliche Form des Genius. In diesem Sinne wäre die Boutiquisierung der Kultur – folgte man dem Machismo Fitzgeralds – auch ein Erfolg der weiblichen Emanzipation. Ulf Poschardt erklärt: „Die Kultur wird metrosexuell. Vielleicht überlebt das Buch am Ende nur am Coffeetable und das Tanztheater nur in Modeschauen.“ Die Organisation und Reproduktion von Lebensstilen verlangen als Mündigkeitsanstrengung vor allem „kulturelles Kapital“, wie das Pierre Bourdieu vermutet. Kurz vor dem Eintritt in die Zwanzigerjahre des 21. Jahrhunderts hat der Postmaterialismus die Mündigwerdung reidealisiert und dabei auch die Rollenbilder verschoben. Die Klimabewegung Fridays for Future trat 2019 als eine extrem weibliche Protestbewegung hervor. Seit 2016 ist Ulf Poschardt Chefredakteur der „Welt-Gruppe“ (Die Welt, Welt am Sonntag, Welt TV).

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Mythen prägten die griechische Tragödie

In der griechischen Tragödie spielte die Handlung in der mythologischen Vergangenheit, da man genau diese Vergangenheit am Ende überwand. Ágnes Heller ergänzt: „Bei Shakespeare spielte sich die Handlung hauptsächlich in der historischen Vergangenheit ab. Und nicht nur die aus der englischen Geschichte, sondern auch Hamlet, Macbeth oder König Lear – denn man kann die Geschichte nur hinter sich lassen, wenn man in ihr aufgeht. Die klassische französische Tragödie folgte beiden Vermächtnissen, ähnlich wie die Barockoper. Im griechischen Drama spielte der Chor immer eine entscheidende Rolle, nicht nur in Tragödien, sondern auch in Komödien des Aristophanes. Ab 1977 lehrte Ágnes Heller als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York.

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Der Mensch ist von Natur aus ein gieriges Wesen

Silvio Vietta stellt fest: „Der englische Staatstheoretiker und Philosoph Thomas Hobbes geht davon aus, dass der Mensch in seinem Naturzustand ein gieriges Wesen ist. Dieses will alles haben und dem ja auch alles offen zu stehen scheint.“ Wenn aber nun alle Mitmenschen naturgemäß auch so veranlagt sind, entsteht daraus zwangsläufig eine Art Konkurrenz aller gegen alle um die vorhandenen Ressourcen. Thomas Hobbes hat dies noch schlimmer formuliert, nämlich als „Krieg aller gegen alle“. Wie kann man dem gegensteuern? Nach Thomas Hobbes eigentlich nur so, dass sich die Menschen verpflichten, ihre Macht an einen Dritten abzutreten, der für diese Preisgabe aber eines verbürgt: Sicherheit und Ordnung. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Tyrannenmord ist moralisch gerechtfertigt

Klaus-Peter Hufer stellt folgende Frage: „Darf direkte, personale Gewalt angewendet werden, um indirekte, strukturelle Gewalt zu verhindern?“ Beim revolutionären Widerstand gegen Diktaturen und/oder terroristische Regime gibt es wohl keine Wahl. Tyrannenmord ist durchaus erlaubt und moralisch gerechtfertigt. Den Widerständlern vom 20. Juli 1944 blieb keine Alternative zum Versuch, Adolf Hitler zu ermorden. Wie steht es aber um den Widerstand unter prinzipiell demokratischen Verhältnissen? Für Protagonisten des gewaltfreien Widerstands stellt sich diese Frage nicht. Zum einen werden von ihrer Seite „erhebliche Zweifel an den Erfolgschancen gewaltsamer Kampfmittel“ geäußert. Zum anderen sind Verluste an Menschenleben und Produktionsmittel nicht gerechtfertigt. Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.

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Die Lebensqualität hat sich dramatisch verbessert

Vor dem Erscheinen des Homo sapiens als eigene Spezies vor fast 300.000 Jahren, war das Leben der Menschen bestimmt von Überlebensinstinkt und Vermehrungstrieb. Der Lebensstandard entsprach mehr oder weniger dem Existenzminimum und veränderte sich weltweit im Lauf der Jahrtausende kaum. Oded Galor stellt fest: „Erstaunlicherweise haben sich jedoch unsere Daseinsbedingungen in den letzten paar Jahrhunderten radikal gewandelt. Im Verhältnis zur langen Geschichte unserer Spezies hat die Menschheit praktisch über Nacht eine dramatische und beispielslose Verbesserung der Lebensqualität erfahren.“ Lange herrschte die Ansicht vor, die Lebensstandards seinen schrittweise über die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg gestiegen. Doch das ist ein verzerrtes Bild. Oded Galor ist israelischer Wirtschaftswissenschaftler und mehrfach ausgezeichneter Professor an der Brown University, USA. Er forscht vor allem zum Thema Wirtschaftswachstum.

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Konrad Paul Liessmann kennt die Kraft der Fiktion

Alle Formen der Höflichkeit beruhen auf einer Fiktion, auf einem „So tun als ob“. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Wir tun so, als ob es uns interessierte, wie es einem anderen geht, wie dessen Urlaub war, was seine Kinder machen. Täten wir nicht so als ob, hätten wir einander entweder nichts oder viel zu viel zu sagen.“ Dass man so tut als ob, und dass dabei alle mitspielen, ist die Vorbedingung dafür, dass Menschen in eine produktive Interaktion treten können. Man muss einander ein wechselseitiges Interesse unterstellen, damit man seine tatsächlichen Interessen zur Sprache bringen kann. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

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Die westliche Wissenschaft lebt von vielen Einflüssen

Wichtig ist für Amartya Sen die Erkenntnis, dass sich die sogenannte westliche Wissenschaft auf das Erbe der gesamten Menschheit stützt: „Es besteht ein Traditionszusammenhang zwischen der Mathematik und Wissenschaft des Westens und frühen nicht-westlichen Vorläufern. So gelangte das Dezimalsystem, das in den ersten Jahrhunderten des ersten Jahrtausends in Indien entwickelt wurde, gegen Ende des Jahrtausends über die Araber nach Europa.“ Zu Wissenschaft, Mathematik und Philosophie haben viele Einflüsse aus nichtwestlichen Gesellschaften – u.a. der chinesischen, der arabischen, der persischen, der indischen – beigetragen. Diese spielten erst in der Renaissance und später in der Aufklärung in Europa eine bedeutende Rolle. Der Westen spielt also beim weltweiten Aufblühen von Wissenschaft und Technik nicht als einziger eine führende Rolle. Amartya Sen ist Professor für Philosophie und Ökonomie an der Harvard Universität. Im Jahr 1998 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie.

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Es gibt einen moralischen Fortschritt

Markus Gabriel fordert: „Forschung muss sich am moralischen Wohl der Menschheit ausrichten.“ Wären alltägliche Situationen moralisch unauflösbar, von Dilemmata geprägt, wäre es unmöglich, absichtsvoll das Richtige zu tun. Wenn man dann doch einmal das Richtige, sprich das Gute täte, wäre dies reiner Zufall in einer komplexen Lage. Doch das würde bedeuten, dass man niemals in der Lage wäre, moralisch zu handeln. Die Handlungen wären ein Spielball des Zufalls, den man allenfalls noch annähernd mit verhaltensökonomischen oder evolutionsbiologischen Modellen beschreiben könnte. Nur so könnte man statistische Aussagen darüber machen, wie Menschen sich verhalten und wie man sie lenken kann. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Eva von Redecker stellt einen neuen Freiheitsbegriff vor

Eva von Redecker schlägt in ihrem neuen Buch „Bleibefreiheit“ einen radikal neuen Freiheitsbegriff vor, der mit der traditionell räumlichen Perspektive der Freiheit bricht. Stattdessen spürt sie der Freiheit in ihren zeitlichen Zusammenhängen nach. Ihr Essay erkundet die Freiheit, die seine Lebenszeit einem Menschen schenkt, die sich in seiner einzigartigen Fähigkeit zum Neuanfang erfüllt. Diese Freiheit kommt in der Verwurzelung des Menschen in Natur und Gemeinschaft zur Ruhe. Eva von Redecker schreibt: „Bleibefreiheit lässt sich nur gemeinsam herstellen. Und sie wächst, wenn wir sie teilen.“ So gesehen bildet das Bleiben geradezu den Nullpunkt der Freiheit. In vielen Fällen ist das Bleiben auch eine Forderung. Das macht aus ihm allerdings noch keine Freiheit. Eva von Redecker ist Philosophin und freie Autorin. Sie beschäftigt sich mit der Kritischen Theorie, Feminismus und Kapitalismuskritik.

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Manche Risiken sind unberechenbar

Jonathan Aldred stellt fest: „Manche Risiken haben zwei Merkmale, die es sehr viel schwieriger machen, mit ihnen fertig zu werden. Erstens: reine Ungewissheit. Zweitens: das Potenzial einer Katastrophe.“ Dabei handelt es sich nicht nur um eine negative, sondern um eine qualitativ andersartig negative Entwicklung. Diese führt in vielen Fällen zu unumkehrbaren Schäden oder Verlusten. Oder es kommt zu einem Zusammenbruch der zugrunde liegenden Systeme, Organisationen oder Bezugssysteme, innerhalb derer man Entscheidungen trifft. Vermutlich weisen sowohl die Klimaveränderung als auch globale Finanzkrisen diese beiden Merkmale auf. Wenn es um solche Risiken geht, ist das traditionelle ökonomische Denken fahrlässig. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

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Der Klimawandel ist eine Tatsache

Tatsachen sind Wahrheiten, so viel steht fest. Peter Trawny beginnt mit dieser weitverbreiteten Feststellung und bezieht sich dabei auf einen Streit über eine Reaktion auf die Klimakrise. Die Aktivistin Greta Thunberg sagt, dass die Menschheit „schon sämtliche Tatsachen und Lösungen“ zum Problem kennt. Sie muss nur noch „aufwachen und etwas verändern“. Deshalb fordert sie: „Ich will, dass ihr in Panik geratet.“ In Panik geraten kann man in der Tat nur, wenn eine wirkliche Gefahr schon sehr bedrohlich geworden ist. Wenn man nicht mehr daran zweifeln kann, dass man ohne unmittelbare Gegenmaßnahmen Schaden nehmen wird. Daher fügt sie hinzu: „[…] ich sage das nur, weil es wahr ist.“ Peter Trawny gründete 2012 das Matin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, dessen Leitung er seitdem innehat.

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William Shakespeare schrieb Tragödien und Komödien

Ágnes Heller weiß: „In der Neuzeit war die strikte Trennung zwischen tragischem Dichter und komischem Dichter bereits überholt.“ Sokrates schlug vor, dass derselbe Dichter Tragödie und Komödie schreiben sollte. Dabei bezog er sich offensichtlich auf seine eigenen philosophischen Dialoge, die sowohl tragisch als auch komisch waren. Doch der erste Dichter, der sowohl Tragödien als auch Komödien und darüber auch „Romanzen“ schrieb, war William Shakespeare. Und er tat noch etwas Unerhörtes: Es gab komische Szenen in seinen Tragödien als auch tragische Szenen in seinen Komödien. Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Nervensysteme schufen Bewusstsein und Geist

Nervensysteme erschienen in der Geschichte des Lebendigen erst spät auf der Bühne. Antonio Damasio erklärt: „Sie waren nichts Primäres, sondern tauchten auf, um dem Leben zu dienen, um Leben auch dann noch möglich zu machen, als die Komplexität der Lebewesen ein hohes Maß an Funktionskoordination erforderte.“ Und ja, Nervensysteme trugen dazu bei, bemerkenswerte Phänomene und Funktionen zu erzeugen, die es vor ihrer Entstehung nicht gab. Dabei handelt es sich um Dinge wie Gefühle, Geist, Bewusstsein, explizites Überlegen, eine verbale Sprache und Mathematik. Die neuronalen Neuerungen bewirkten, dass sich die Regulation der Homöostase optimierte und das Leben mit größerer Sicherheit aufrechterhalten werden konnte. Antonio Damasio ist Dornsife Professor für Neurologie, Psychologie und Philosophie und Direktor des Brain and Creativity Institute an der University of Southern California.

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Gefühle bestimmen heute alles

Unverhältnismäßiges Aggressionsverhalten ist nicht auf Covid-19-Leugner oder Verharmloser der Epidemie beschränkt. Richard David Precht weiß: „Es findet sich ebenso auf der Seite von Konformisten, denen die Pflichterfüllung zum unbegrenzten und rüden Missionsauftrag wird. Das Gefühl, aus legitimer Aggression zu handeln, schmiedet beide Seiten viel enger zusammen, als es ihrem Selbstverständnis entspricht.“ Es gibt viele Gründe, warum Maßhalten mit den eigenen Emotionen heute nicht mehr die gleiche Rolle spielt wie in der Antike. Und von dort bis tief ins 20. Jahrhundert hinein. Gefühle gelten heute als legitim und bestimmen alles, vom privaten Gespräch bis zur medialen Berichterstattung. Stets geht es darum, wie ein Mensch etwas fühlt. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Was ist der Unterschied zwischen Dampfen und Rauchen?

Die steigende Popularität von E-Zigaretten hat zu einer verstärkten Diskussion über die Unterschiede zwischen dem Dampfen und dem Rauchen geführt. Viele Menschen betrachten E-Zigaretten als potenziell weniger schädliche Alternative zu herkömmlichen Zigaretten. In diesem Artikel werden wir die grundlegenden Unterschiede zwischen dem Dampfen und dem Rauchen untersuchen, um ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, wie … Weiterlesen

Menschen verfolgen Ziele

Fabian Scheidler weiß: „Ohne die Berücksichtigung der Innenwelt ergibt auch die Außensicht gar kein verständliches Bild des Lebens.“ Menschen können zum Beispiel die Tatsache, dass Lebewesen etwas zielgerichtet und absichtsvoll tun und nicht einfach nur mechanisch reagieren, ohne die Innenwelt nicht verstehen. Dass Menschen Ziele verfolgen, hat damit zu tun, dass sie Qualitäten erleben und sich an sie erinnern. Die menschlichen Ziele werden, ob im Großen oder Kleine, zu einem beträchtlichen Teil von der persönlichen Innenwelt geführt. Diese grundlegende Erfahrung kollidiert allerdings mit einem zentralen Dogma der modernen Biologie. Nämlich dass biologische Systeme allein von mechanistischen beziehungsweise chemischen Ursachen angetrieben werden und nicht von Zielen und Zwecken. Mit anderen Worten: Die Welt des Erlebens und Wollens kann nach diesem Dogma nicht Ursache für Verhalten sein. Der Publizist Fabian Scheidler schreibt seit vielen Jahren über globale Gerechtigkeit.

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Mediale Codes sind keine Verfälschungen

Heutzutage greift bei vielen Menschen eine Entfremdung von der Wirklichkeit um sich. Diese basiert auf einer verzerrten Auffassung davon, was eigentlich geschieht, wenn sie etwas wahrnehmen. Markus Gabriel erklärt: „Diese verzerrte Auffassung hält unsere Wahrnehmungen für eine Simulation, ein Kopfkino, das bestenfalls mehr oder weniger zufällig mit der Wirklichkeit in Verbindung steht. Dieser Auffassung zufolge ist Wahrnehmung also nicht etwa eine an sich wirkliche Erfassung des Wirklichen, sondern eine Illusion.“ Die Sinnesmodalitäten der Menschen sind Medien. Ein Medium ist eine Schnittstelle, die Informationen von einem Code in einen anderen überträgt. Zu den Sinnesmodalitäten gehören das Sehen, das Hören und das Verstehen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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