Das Ideal liebender Zweisamkeit scheint unzerstörbar zu sein

Im Titelthema der neuen Ausgabe beschäftigt sich das Philosophie Magazin Nr.3/2013 mit der Frage, ob der Mensch dazu geschaffen ist, in einer Paarbeziehung zu leben. Scheinbar gibt es keine tiefere menschliche Sehnsucht als die große Liebe seines Lebens zu finden, auch in modernen Gesellschaften gehört dieses Ziel immer noch zu den großen Idealen. Denn je mehr Freiheiten die Menschen besitzen, desto drängender werden ihre Wünsche nach Wärme und Geborgenheit in einer glücklichen Partnerschaft. Gleichzeitig lassen sich aber immer mehr Paare scheiden – das Dasein als Single wird vor allem in den Großstädten zur Normalität. Chefredakteur Wolfram Eilenberger stellt dennoch in der zeitgenössischen Philosophie einen affirmativen Umschwung zugunsten des Paarmodells fest. Er schreibt: „Anstatt wie noch vor zehn Jahren den Willen zur festen Partnerschaft im Sinne einer „neuen Bürgerlichkeit“ anzuprangern, wird der Wille zur exklusiven Zweisamkeit derzeit als progressives Widerstandsmoment gegen den neoliberalen Konsumzwang gepriesen.“

Eva Illouz und Wolfgang Schmidbauer verteidigen das Paarmodell

Eva Illouz, Professorin für Soziologie und Anthropologie an der Hebräischen Universität Jerusalem, glaubt, dass moderne Paarbeziehungen so stark von Erwartungen überfrachtet sind, die kaum zu erfüllen sind. Ihrer Meinung nach ist es unsäglich schwierig geworden, ein Paar zu sein, wodurch sich ihr die Frage aufdrängt, ob das moderne Paar nicht ein gescheitertes Projekt ist. Dennoch verteidigt Eva Illouz das Paarkonzept: „Das monogame Paar ist vielleicht die letzte soziale Einheit, deren Funktionsprinzipien denen der kapitalistischen Kultur zuwiderlaufen.“

Für den Psychoanalytiker und Bestsellerautor Wolfgang Schmidbauer ist das Paarmodell auf wechselseitige Ergänzung ausgelegt. Die sogenannte „bessere Hälfte“ soll die eigenen Mängel ausgleichen, Geborgenheit spenden und begehrenswert sein. Seiner Meinung nach ist die Paarbeziehung bis heute im guten Fall die harmonischste, gleichgewichtigste und überschaubarste Beziehung. In ihr werden laut Wolfgang Schmidbauer Möglichkeiten des Erlebens von Erotik freigesetzt, die sich in keiner anderen Konstellation derart entfalten.

Michel de Montaigne fühlte sich nur der eigenen Urteilskraft verpflichtet

Im Kapitel „Die Philosophen“ begibt sich das Philosophie Magazin auf die Spur des Klassikers Montaigne, dem Genie der Selbsterkenntnis. Die Lust, sich von den eigenen Gedanken treiben zu lassen, erhob Michel de Montaigne, der von 1533 bis 1592 lebte, zur Daseinsform. Mit seinen „Essais“ schuf er das erste Zeugnis eines wahrhaft freien Menschen, dem keine Thematik zu unbedeutend ist, dass er nicht den eigenen Geist daran schärfen könnte. In seinem Erkenntnisdrang fühlte sich Montaigne niemand anderem verpflichtet als seiner eigenen Urteilskraft.

In der Rubrik „Zeitgeist Forum“ geht es diesmal um die philosophischen Perspektiven für eine plurale Gesellschaft. In der Integrationsdebatte heißen die Kampfbegriffe „Multikulti“ und „Leitkultur“. Für die Politologin Eva Hausteiner, die an der Humboldt-Universität Berlin arbeitet, gibt es ein Konzept, brennende Fragen der Integrationspolitik konstruktiv anzupacken. Es ist der Multikulturalismus, verstanden als eine politische Grundhaltung und ein Maßnahmenkatalog, der benachteiligten Minderheiten Sonderrechte und Privilegien zu ihrem Schutz in einer vielfältigen Gesellschaft einräumen soll.

Von Hans Klumbies