Das Prinzip der Freiheit darf niemals aufgegeben werden

An dem für sie wesentlichen Prinzip der Freiheit zeigt die Moderne, dass sie kein schlechthin neues Ziel verfolgt, sondern eine anthropologisch Grundintention, eben die Freiheit, zur Blüte, am liebsten sogar zur Vollendung bringen will. Otfried Höffe warnt: „Wer das Prinzip Freiheit aufgibt, setzt also mehr als nur das Projekt der Moderne und Einsichten ihrer großen Denker aufs Spiel.“ Allerdings erweist sich die Freiheit samt Moderne als ein vielschichtiges, inneren Spannungen ausgesetztes, in mancher Hinsicht sogar widersprüchliches Ziel. Otfried Höffe versteht also die Freiheit als ein facettenreiches, intern spannungsgeladenes und von Widersprüchen durchwirktes Phänomen. Viele Vorhaben und Visionen, erneut sowohl der Menschheit im Allgemeinen als auch der Moderne im Besonderen, sind von einem Freiheitsgedanken inspiriert. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

Der Moderne liegen Visionen wie Vernunft und Aufklärung zugrunde

Diese Inspiration tritt umso deutlicher zutage, wenn man drei nahverwandte Begriffe hinzunimmt: Emanzipation, Selbstbestimmung und Autonomie. Dann springt nämlich deutlicher ins Auge, dass der Moderne Visionen zugrunde liegen wie Vernunft und Aufklärung, auch Fortschritt, die wesentlich vom Gedanken der Freiheit geprägt sind. Der Aufklärung ist unter anderem die Befreiung von Aberglauben oder die Bevormundung durch Staat und Kirche zu verdanken. Dazu kommt die Emanzipation von Naturzwängen, der Abbau von Privilegien und die Kontrolle der politischen Macht.

Das Verständnis der Freiheit als einem Konstitutiv des Menschen, das in der Moderne seien bislang höchste visionäre Gestalt gefunden hat, setzt kein homogenes Freiheitsverständnis voraus. Im Gegenteil, wer mit dem Prinzip der Freiheit die Moderne vermessen will, hat als erstes die Vieldeutigkeit des Prinzips zu klären. Außerdem fordert Otfried Höffe, dass die Freiheit und die Moderne ihre Bereitschaft zu Selbstkritik und Reformbereitschaft stärken müssen. Eine Einstellung, die sich auf einen derartigen Lernprozess einlässt, bezeichnet Otfried Höffe als aufgeklärten Liberalismus.

Die Freiheit muss mit viel Konkurrenz um ihren ersten Rang kämpfen

Und wer am Ausdruck der Moderne festhalten will, spricht am besten von einer regenerierten Moderne. Gegen die Ansicht vom überragenden Wert der Freiheit liegt freilich der Einwand nahe, wegen der ihr innewohnenden Schwierigkeiten habe zumindest in unserer Zeit die Freiheit an Wert und die Zustimmung zu ihr an Gewicht verloren. In der Tat steht in der Sozialethik und der Sozialphilosophie seit längerem die Gerechtigkeit im Vordergrund. Deren Theorien scheinen die Theorien der Freiheit den philosophisch und politisch ersten Rang abtreten zum müssen.

Dazu gibt es weitere Konkurrenten, etwa den Fortschrittsbegriff, ferner einen Rationalisierungs- und in anderer Weise einen Säkularisierungsprozess. Weiterhin eine funktionale Differenzierung der Gesellschaft, die auf eine Entmoralisierung hinauslaufen soll. Außerdem die Globalisierung, und nicht zuletzt die verbreitete Diagnose von einer fortschreitenden Entmachtung der Menschen. Allerdings gilt: „Unter Aufhebung aller Privilegien gewisser Gruppen wird die Freiheit zum Merkmal des Menschen, bloß weil er Mensch ist.“ Quelle: „Kritik der Freiheit“ von Otfried Höffe

Von Hans Klumbies