Reichtum darf kein Selbstzweck sein

Mit den „Grundsätzen der politischen Ökonomie“ (1848) schreibt John Stuart Mill das für den englischen Sprachraum wichtigste wirtschaftstheoretische Werk des 19. Jahrhunderts. Der Autor wendet sich in seinem Buch gegen utopische Sozialisten. Diese wollen den Staat an die Stelle des freien Wettbewerbs setzen. Otfried Höffe erklärt: „Weil die einzelnen Menschen eigennützig handelten und zugleich ihre Interessen selbst am besten beurteilen könnten, bringe die staatliche Nichteinmischung eine doppelte Optimierung zustande. Nämlich die für den Utilitaristen Mill wichtige effizienteste Staatstätigkeit und in liberaler Perspektive den stärksten Anreiz zur Entwicklung des einzelnen.“ Die „ökonomische“ Ansicht vom Vorrang der Wirtschaft lehnt John Stuart Mill jedoch ab. Der Primat liege allein bei der Politik. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

Seitens des Staates sind hohe Steuern unklug

Für John Stuart Mill war ein Anhänger des Hedonismus. Für ihn versteht sich, dass die Anhäufung von Reichtum kein Selbstzweck ist. Aller Wohlstand hat vielmehr dem richtigen Genuss der Gegenwart zu dienen. Und als Utilitarist fordert John Stuart Mill eine gerechte Verteilung der Güter. Wobei im Gegensatz zum Kommunismus eine maßvolle Ungleichheit bei der Aufteilung gerecht ist. Die Zuteilung des gesellschaftlichen Reichtums will John Stuart Mill wie bei Adam Smith einer unsichtbaren Hand überlassen. Sie sei vielmehr dem Gedanken der Gerechtigkeit zu unterwerfen.

Deshalb solle der nicht selbst erarbeitete Reichtum, etwa eine Erbschaft, stark besteuert und die entsprechenden Einkünfte für das Allgemeinwohl eingesetzt werden. Auch plädiert John Stuart Mill für eine Beteiligung der Arbeiter am Unternehmen. Otfried Höffe ergänzt: „Das zum Leben und für die Gesundheit notwendige Einkommensminimum soll steuerfrei bleiben. Der verbleibende Rest aber proportional, nach seinem Vorschlag mit zehn Prozent, besteuert werden.“ Eine höhere Steuer sei seitens des Staates unklug. Denn sie beeinträchtige Industrie und Fleiß, überdies sei sie ungerecht, da sie die Menschen, die härter arbeiteten, bestrafe.

John Stuart Mill fordert Gedanken- und Meinungsfreiheit

John Stuart Mills sozial- und rechtsphilosophisches Hauptwert „Über die Freiheit“ (1859) ist eine Kampfschrift gegen den Puritanismus der viktorianischen Gesellschaft. Otfried Höffe erläutert: „Der Autor erweitert hier seinen sozialen Wirtschaftsliberalismus um einen politischen Liberalismus, der mit einem radikalen Rechtsliberalismus beginnt.“ John Stuart Mill fordert die Gedanken- und Meinungsfreiheit ein und verteidigt leidenschaftlich das Recht jedes Menschen, seine Überzeugungen frei zu bilden, um diesen Überzeugungen gemäß das eigene Leben frei zu gestalten.

Denn im Gegensatz zu Auguste Comtes Gedanken „einer Zwangsherrschaft der Gesellschaft über das Individuum“ schulde niemand der Gesellschaft eine Rechenschaft für Handlungen, bei denen nur die eigenen Interessen auf dem Spiel stehen. John Stuart Mill befürchtet von der Demokratie einen Gesinnungsterror, den er mit allem Nachdruck als eine „Tyrannei der Mehrheit“ ablehnt. Die einzige Rechtfertigung für Beschränkungen der Freiheit sei Schaden von anderen abzuwenden. Quelle: „Kritik der Freiheit“ von Otfried Höffe

Von Hans Klumbies