Die Politik passt sich der Logik der Unterhaltungsindustrie an

Ned O’ Gorman stellt fest: „Vieles, was wir für Politik halten, geschieht auf den Bildschirmen und wird vermittelt über Medienkanäle und passt sich damit der Logik der Unterhaltungsindustrie an. In dieser Logik zählen wir letztlich nur als Konsumenten.“ Wenn Politik zum Geschäft oder einer bloßen Ausformung des Geschäfts wird, ist sie nicht nur finanziell abhängig, sondern wird auch von der unendlichen, grenzenlosen Jagd nach Geld und Reichtum vereinnahmt, die im kapitalistischen Expansionsdenken regiert. Sie schätzt die Bürger nur dann, insofern sie nützlich sind und sich „positiv“ an der Gesellschaft beteiligen, in dem sie durch den Aktienmarkt oder andere Instrumente zum Wirtschaftswachstum beitragen. Ansonsten gelten die Bürger als Bürde der Gesellschaft. Ned O’ Gorman ist Professor für Kommunikationswissenschaften an der University of Illinois.

Politik als Geschäft macht die Bürger zu Geizkragen oder zu Bettlern

Betrachtet man die Politik aus „geschäftlicher Perspektive“, so sieht man alles, auch sich selbst, durch den Filter der Kosten-Nutzen-Rechnung. Ned O’ Gorman erklärt: „Hannah Arendt zufolge macht ein derartiges utilitaristisches Denken, insbesondere im Zeitalter zunehmender Automatisierung, die meisten von uns überflüssig.“ Hinzu kommt, dass in der Geschäftswelt Verknappung die Regel ist. Es ist nicht genug für alle da, sodass jeder um ein Stück vom Kuchen, um Marktanteile kämpft.

Werden Bürger auf ihre Funktion als Steuerzahler reduziert, werden laut der Schriftstellerin Marilynne Robinson öffentliche Güter wie Schulen, Straßen und sauberes Trinkwasser zu öffentlichen Belastungen. In der Summe macht Politik als Geschäft die Bürger entweder zu Geizkragen oder zu Bettlern. Ned O’ Gorman betont: „Im Gegensatz dazu ist das einzelne Leben wichtig. Für Hannah Arendt ist die Politik eine lebensbejahende Kunst.“ Solange Menschen leben, sind sie für die gemeinsam bewohnte Welt von Bedeutung.

Gewaltsame Politik verwandelt sich in eine Armee

Politik ist die Kunst, durch die man ausdrückt, dass eine Person, die anderen und die Welt selbst von Bedeutung sind. Ned O’ Gorman ergänzt: „Sie ist eine Möglichkeit, uns anderen zu zeigen, ihnen zu erscheinen, mit ihnen zu sprechen und zu handeln, um etwas in Bewegung zu halten oder etwas Neues zu beginnen.“ Niemand kann seine Anteil am Sprechen und Handeln für sich allein beanspruchen. Politik ist für alle. Stellt sie sich jedoch in den Dienst wirtschaftlicher Interessen, wird sie zur Waffe in der Hand der Wenigen, die sich der endlosen Jagd nach immer mehr Geld verschrieben haben.

Hannah Arendt zufolge wird sie nachgerade imperialistisch und gewalttätig. Ned O’ Gorman fügt hinzu: „Und wenn Politik gewaltsam wird, verwandelt sie sich in etwas völlig anderes, denn sie verlässt die Welt des freien Sprechens und Handeln und wird zu einem Markt, einer Maschine, einer Armee oder einer Faust.“ Angesichts einer Politik als „Showgeschäft“ haben viele Bürger das – bewusste oder unbewusste – Gefühl, Politik sei letztlich das Ausüben von Zwang seitens der Gewinner. Quelle: „Politik für alle“ von Ned O’ Gorman

Von Hans Klumbies