Billiges Geld führt zu Spekulationsblasen

Seit vier Jahrzehnten beschäftigt sich Nouriel Roubini mit Schuldenkrisen und deren Bekämpfung. Und zwar nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Wirtschaftsberater der US-Regierung. Einige Krisen blieben auf eine Region begrenzt, andere erfassten die gesamte Weltwirtschaft. Manche hinterließen kaum Spuren, andere vernichteten ganze Wirtschaftssektoren und viele Millionen Existenzen. Niemand kann so tun, als hätte er oder sie alle Antworten auf ein derart komplexes Problem wie die Gestaltung der Wirtschaftspolitik parat. Doch so viel weiß Nouriel Roubini inzwischen: „Erfahrung ist kein guter Lehrmeister. Unbeirrt machen wir immer wieder dieselben Fehler. Ein ums andere Mal lassen wir zu, dass sich unter dem Einfluss des Überschwangs und einer Politik des billigen Geldes Spekulationsblasen aufblähen. Und ein ums andere Mal platzen diese Blasen.“ Nouriel Roubini ist einer der gefragtesten Wirtschaftsexperten der Gegenwart. Er leitet Roubini Global Economics, ein Unternehmen für Kapitalmarkt- und Wirtschaftsanalysen.

Argentinien hat 300 Milliarden Dollar Schulden

Nouriel Roubini warnt: „Die schlimmste Schuldenkrise aller Zeiten liegt direkt vor uns, so als hätten wir sämtliche ihrer Vorgänger vergessen.“ Ein Land, das aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben sollte, ist Argentinien. Im Jahr 2020 erlebte der Staat seinen vierten Staatbankrott seit 1980, den neunten seiner Geschichte. Im August 2020 verkündete das Finanzministerium des Landes die Einigung mit seinen erschöpften Gläubigern. Wenige Stunden bevor die drittgrößte Volkswirtschaft Südamerikas zahlungsunfähig gewesen wäre, einigten sie sich auf eine Umschuldung und einen Schuldenschnitt.

In hoch verschuldeten Ländern stirbt die Hoffnung nie. Der argentinische Präsident Alberto Fernandez erklärte seinerzeit: „Es war nicht einfach, aber wir Argentinier verstehen uns darauf, wieder aufzustehen, wenn wir gestrauchelt sind.“ Es war die Art von Beteuerung, wie sie Politiker in schwierigen Zeiten gern von sich geben. Nouriel Roubini weiß: „Doch Argentinien ist weit davon entfernt, die aktuelle Krise überstanden zu haben, genau wie der Rest der Welt. Der argentinische Staat steht mit 300 Milliarden Dollar in der Kreide, einer Summe, die fast der gesamten wirtschaftlichen Produktion des Landes im Jahr 2020 entspricht.“

Die europäischen Staaten sind hoch verschuldet

Während und nach der Coronakrise beutelte Argentinien die Inflation. Für 2022 erwartete man eine Inflationsrate von mehr als 50 Prozent. Der Rest der Welt wird Argentinien immer ähnlicher. Nouriel Roubini stellt fest: „Die Staatsverschuldung, aber auch die Verschuldung von Unternehmen, Banken und Privatpersonen drohte schon vor der Pandemie außer Kontrolle zu geraten.“ So zum Beispiel in den Vereinigten Staaten. Das gigantische Hilfspaket der Biden-Regierung von 1,9 Billionen Dollar und die beiden Pakete der Trump-Regierung ließen den staatlichen Schuldenberg um 4,5 Billionen Dollar anschwellen.

Mit den Reaktionen auf die Coronapandemie war jegliche Haushaltsdisziplin vergessen. Und zwar bei Parteien des gesamten politischen Spektrums. „In Europa erreichen die Schulden das höchste Niveau seit dem Zweiten Weltkrieg“, schrieb die „New York Times“ im Februar 2021. Nouriel Roubini ergänzt: „In vielen europäischen Ländern wachsen die Schuldenberge so rasch, dass sie inzwischen das Bruttoinlandsprodukt übersteigen.“ Laut Daten des Institute of International Finance beliefen sich die privaten und staatlichen Schulden Ende 2021 auf über 350 Prozent der jährlichen globalen Wirtschaftsleistung. Quelle: „Megathreats“ von Nouriel Roubini

Von Hans Klumbies