Die Wissenschaftler lernen genau wie andere Menschen aus ihren Fehlern. Die Wissenschaft macht dann Fortschritte, wenn die Forscher erkennen, dass eine bestimmte Denkweise in Bezug auf die Wirklichkeit falsch ist. Dies war, kurz gesagt, Karl Poppers (1902 – 1994) Ansicht, wie die größte Hoffnung der Menschheit, Wissen über die Welt zu erlangen, funktioniert. Bevor er seine Ideen entwickelte, glaubten die meisten Menschen, dass die Wissenschaftler zunächst eine Vermutung hätten, wie die Welt ist, und dann Beweise sammeln, um zu belegen, dass ihre Vermutung richtig ist. Nigel Warburton erklärt: „Laut Popper jedoch versuchen die Wissenschaftler vielmehr zu beweisen, dass ihre Theorien falsch sind.“ Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.
Die Deduktion ist eine Art logisches Argument
Das Überprüfen einer Theorie schließt mit ein, dass die Theorie widerlegt – als falsch bewiesen – werden kann. Ein Wissenschaftler geht in der Regel von einer kühnen Vermutung oder Hypothese aus, die er dann in einer Reihe von Experimenten oder Beobachtungen zu untermauern versucht. Die Wissenschaft ist ein kreatives und aufregendes Unterfangen, aber sie beweist nicht, dass etwas richtig ist – sie will lediglich falsche Meinungen zu beseitigen, um im Idealfall so auf die Wahrheit zu stoßen.
David Hume hat im 18. Jahrhundert über das sogenannte „Induktionsproblem“ nachgedacht. Die Induktion unterscheidet sich grundlegend von der Deduktion, und genau das ist die Wurzel des Übels. Nigel Warburton erläutert: „Deduktion ist eine Art logisches Argument, bei dem, wenn die Prämissen (die anfänglichen Vermutungen) richtig sind, die Schlussfolgerung ebenfalls richtig sein muss. Bei der Deduktion ist die Wahrheit der Schlussfolgerung irgendwie schon in den Prämissen enthalten, und die Logik fördert sie zutage.
Jede wissenschaftliche Hypothese muss widerlegbar sein
Die Induktion dagegen funktioniert ganz anders. Gewöhnlich gründet sie ihre Argumente auf eine Reihe von Beobachtungen und gelangt zu einer allgemeinen Schlussfolgerung. Die Wissenschaftler verallgemeinern dabei die einzelnen Beobachtungen. Die Forscher gehen von einer Hypothese, einer fundierten Vermutung über die Realität aus. Die Wissenschaftler holen sich ihre Ideen an vielen Orten. Etwas untersuchen bedeutet nicht, dass man Beweise für die Hypothese findet, sondern man versucht zu zeigen, dass die Hypothese so stark ist, dass die Versuche, sie zu widerlegen, übersteht.
Nigel Warburton stellt fest: „Wenn ein Wissenschaftler eine Hypothese widerlegt, also beweist, dass sie falsch ist, dann führt dies zu einer neuen Erkenntnis: der Erkenntnis, dass die Hypothese falsch ist. Die Menschheit macht deshalb Fortschritte, weil sie etwas dazulernt.“ Für Karl Popper besteht ein Hauptmerkmal jeder Hypothese darin, dass sie widerlegbar oder falsifizierbar sein muss. Unwiderlegbare Behauptungen sind damit keine wissenschaftlichen Aussagen. Der Engländer Peter Medawar, der den Nobelpreis für Medizin erhalten hatte, sagte: „Ich glaube, Karl Popper ist eindeutig der größte Wissenschaftsphilosoph, der je gelebt hat.“ Quelle: „Die kürzeste Geschichte der Philosophie“ von Nigel Warburton
Von Hans Klumbies