Nigel Kennedy tüftelt immer noch an Bogentechniken herum

Der britische Geigen-Rebell Nigel Kennedy regt sich dieser Tage darüber auf, dass viele Menschen in letzter Zeit furchtbar von sich selbst besessen sind. Wenn immer mehr Leute glauben, sie könnten per Internet und Skype wirklich miteinander diskutieren, bedeutet das, dass sie in Wirklichkeit immer weniger echten Umgang miteinander pflegen. Überall schließen in England die Pubs, während viele Menschen nur noch sich und ihr Geld im Blickfeld haben. Der Einzelne beschäftigt sich nur noch mit digitalen Geräten, bei den Staaten zählen nur noch ihre eigenen Interessen. Die Angst vor Zuwanderung geht weltweit um. Über seine Heimat sagt er folgendes: „In England passiert viel Mist. Stichwort UKIP.“ Die United Kingdom Independence Party ist eine rechtspopulistische Partei, die die Europäische Union und den Euro strikt ablehnt.

Nigel Kennedy produziert seine Alben selbst

Der Stargeiger Nigel Kennedy hat seine eigenen Methoden, um sich diesem unguten Trend zu entziehen: „Ich spiele jeden Tag Musik, das hält meine Füße auf dem Boden und den Kopf in den Wolken. Ich gehe viel mit meinen beiden Hunden aus. Vor dir Tür gehen und den Himmel sehen – solche natürlichen Dinge pflege ich jeden verdammten Tag.“ Nigel Kennedy übt noch sehr viel auf seiner Geige, weil er sonst sein Level nicht halten, geschweige denn sich entwickeln könnte, geistig wie technisch.

Nigel Kennedy tüftelt beispielsweise noch immer an Bogentechniken herum, um genau den idealen Teil der Saite zu erwischen, damit sie ihm ihren schönsten Klang schenkt. Er weist darauf hin, dass der großartige Geiger Nathan Mielstein noch im Alter von 80 Jahren die tollsten Dinge auf seiner Geige gelernt hat. Nigel Kennedy hat auch noch immer Lust, seine eigene Musik, der er spielt, zu hören: „Ich produziere meine Alben selbst und verbringe verflucht viel Zeit damit, die eigene Musik wieder und wieder anzuhören und zu arrangieren.“

Johann Sebastian Bach zählt für Nigel Kennedy zu den Vorläufern des Jazz

Allerdings weiß Nigel Kennedy ganz genau, dass er die Musik für den Rest seines Lebens nicht mehr hören will, wenn er mit dem Album durch ist. Sehr viel hält der britische Geiger von Johann Sebastian Bach: „Ich würde denken, dass er mit seiner harmonischen Eloquenz, seiner enormen Spannung und der harmonischen Komplexität ein würdiger Vorläufer des Jazz ist.“ Er zählte zu den ganz großen Improvisateuren seiner Zeit. Danach ging die Improvisation in der Musik immer weiter zurück, bis sie im 20. Jahrhundert wieder durchbrach.

Dass in Deutschland so viel Schweinefleisch gegessen wird, missfällt Nigel Kennedy. Ansonsten aber mag er das Land. Seiner Meinung nach wird es unterschätzt. Alle erzählen ihm immer, sie würden nach Italien oder Frankreich fahren. Irgendwie scheint niemand nach Deutschland zu reisen. Nigel Kennedy hat den Eindruck, dass man in der Musik immer noch halbwegs Geld verdienen kann, auch ohne nur massentaugliches Zeug zu produzieren. Es ist zwar verdammt schwer, aber wenn man will, hat Musik noch Platz, um sich selbst treu zu bleiben. Quelle: Passauer Neue Presse

Von Hans Klumbies