Friedrich Nitzsche wollte die dionysische Kultur stärken

Friedrich Nietzsches Gegenentwurf zur sokratischen Kultur wird tragische Kultur genannt. Sie entwickelt sich aus seiner grundlegend kritischen Stellung zu Sokrates (469 – 399 v. Chr.). Der griechische Philosoph gilt als Stammvater einer Epoche. Diese suchte die Vernunft und Wissenschaft zur Herrschaft zu bringen und keine Mythen mehr kennt. Christian Niemeyer erläutert: „Entsprechend auch sah sich der frühe Nietzsche weniger als ein den Ideen der Aufklärung verpflichteter Jünger der Wahrheit denn als ein von Friedrich Wagner ermunterter Exponent der über sich selbst zu Bewusstsein gelangten griechischen Antike.“ Friedrich Nietzsches Programm bestand entsprechend darin, die als dionysisch gefasste künstlerische Kultur zu stärken. Er wollte sie der apollinisch strukturierten, auf Erkenntnis, Wissenschaft und Wahrheit setzenden Gegenwart als andere, bessere Seite entgegenhalten. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

Friedrich Nietzsche verehrte Arthur Schopenhauer

Dahinter verbarg sich eine Art Weckruf an die eigene Generation. Für diese forderte Friedrich Nietzsche im Blick auf das Gelehrtenideal des sokratischen Menschen eine Freisetzung. Er strebte aber auch eine neue Bindung auf der Ebene der Gemeinschaft stiftenden Erhabenheit dionysischen Musikempfindens an. Eines seiner Idole war Arthur Schopenhauer, über den Friedrich Nietzsche folgendes schrieb: „Schopenhauer macht mit den gelehrten Kasten wenig Umstände, separiert sich, erstrebt Unabhängigkeit von Staat und Gesellschaft.“

Außerdem rief Friedrich Nietzsche dazu auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Gegenwart von kommenden Generationen nicht „aus der Geschichte der wahrhaften Befreiung des Lebens gestrichen wird.“ Eine neue Phase im Schaffen des Philosophen beginnt mit seiner Aphorismensammlung „Die fröhliche Wissenschaft“. Er veröffentlicht diese im Jahr 1882. Damit kommt eine Reihe von Schriften zum Abschluss, die mit „Menschliches, Allzumenschliches“ begonnen hat. Deren gemeinsames Ziel ist es, ein neues Bild und Ideal des Freigeistes aufzustellen.

Hinter Aphorismen verbergen sich Gedankenketten

Die Nutzung des Aphorismus erweist sich die angemessen Redeform, um Friedrich Nietzsches Anliegen zu transportieren. Sie ersetzt die vor allem in den „Unzeitgemäßen Betrachtungen“ praktizierte, auf Überzeugung des Lesers abstellende Rhetorik durch eine, die den Leser in ganz besonderer Weise als Exegeten fordert. Friedrich Nietzsche wird hierzu Jahre später erläuternd nachtragen: „In Aphorismenbüchern gleich den meinigen steht zwischen und hinter kurzen Aphorismen lauter verbotene lange Dinge und Gedanken-Ketten.“

Christian Niemeyer stellt fest: „Eingeklagt hatte Friedrich Nitzsche hiermit den aktiven Interpreten, der als Rätsel-Löser aufzutreten vermag.“ Inhaltlich geschieht dies zunächst anhand einer Thematik, die Friedrich Nietzsche bisher nur am Rande interessiert hatte: „die psychologische Beobachtung.“ Charakterisiert ist mit dieser Bezeichnung „Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister“ (1878), das Gründungsmanifest der Freiheitsepoche, das allerdings auch als Anti-Wagner-Kampfschrift gelesen werden muss. Quelle: „Auf die Schiffe, ihr Philosophen!“ von Christian Niemeyer

Von Hans Klumbies