Nadine Gordimer schreibt Gesellschaftsromane

Nadine Gordimer ist die renommierteste Schriftstellerin Südafrikas. 1991 erhielt sie den Literaturnobelpreis. Die Ehrung galt einem Werk, das damals schon aus einem Dutzend Romanen, über zweihundert Kurzgeschichten, vielen Essays und Vorträgen bestand. 1979 erschien der Roman „Burgers Tochter“, den das Nobelpreiskomitee als eines ihrer Meisterwerke würdigt. Er handelt vom Schüleraufstand in Soweto 1976, bei dem fünfhundert Kinder und Jugendliche durch Polizeigewalt ums Leben kamen. Die Hauptfigur dieses äußerst komplexen Werks ist Rosa Burger, eine junge Weiße burischer Abstammung, deren Eltern im Gefängnis starben, weil sie als Kommunisten für die Freiheit kämpften. Im Laufe der Geschichte verliert sich die Heldin im Chaos ihrer Suche nach der eigenen Identität, zwischen ihren weißen und schwarzen Freuden, zwischen den Flügelkämpfen des African National Kongress (ANC) und der ständigen Bedrohung durch die Sicherheitsbehörden.

Der Rassismus prägt die Romane der Schriftstellerin Nadine Gordimer

Die Romane von Nadine Gordimer sind in der Tradition des großen Gesellschaftsromans des neunzehnten Jahrhunderts geschrieben. Ihr genügt es nicht, sich mit dem Schicksal eines Einzelnen zu befassen, sondern lässt gleichzeitig das Bild einer ganzen Gesellschaft in ihren Werken auftreten. Sei will Zeuge und Sprachrohr des Formationsprozesses ihrer Heimat Südafrika sein. Nadine Gordimer beschreibt den Übergang einer rassistisch-postkolonialen zu einer demokratischen Gesellschaft.

Ihr Schreibstil ist geprägt von inneren Monologen, dem Wechsel der Perspektive, der Verschiebung der Zeitebenen und der politischen und psychologischen Analyse des menschlichen Bewusstseins. Oft handeln die Romane von Menschen, die sich in moralischen oder politischen Grenzsituationen befinden. Es ist vor allem ein Thema, das die Schriftstellerin Nadine Gordimer vom Anfang ihrer Karriere an beschäftigt hat: der Rassismus.

Die verlogene Wirklichkeit der Weißen in Südafrika

Einige der Romane von Nadine Gordimer erzählen Liebesgeschichten zwischen Weißen und Schwarzen, also meist illegale Beziehungen, da während der Apartheid Sex zwischen Weißen und Schwarzen bestraft wurde. Meist scheitern diese Beziehungen aber nicht an der Staatsgewalt, sondern an der Illusion der Liebenden, ihre Hautfarbe ignorieren zu können. Vor allem aufgeklärte Weiße hingen diesem Irrtum an.

Schon in ihrem ersten Roman „Entzauberung“ beschreibt sie die Härte des Apartheid-Systems: die territoriale Trennung zwischen den weißen und schwarzen Menschen in Südafrika. Die Schwarzen leben meist in Ghettos oder Slums am Rand der Städte. Die Hauptfigur Helen, ein weißes Mädchen aus der Upperclass verirrt sich in ein Schwarzenghetto und erkennt dort schlagartig, die erlogene Wirklichkeit der Weißen, die sich anmaßen die ganze Gesellschaft Südafrikas zu repräsentieren, während sie in Wahrheit nur ein kleiner Teil davon sind.

Kurzbiographie: Nadine Gordimer

Nadine Gordimer wurde am 20. November 1923 in der südafrikanischen Minenstadt Springs geboren. Schon im Alter von neun Jahren fing sie damit an, erste Geschichten zu schreiben. In ihrem ganzen Leben ist sie danach nie mehr etwas anderes gewesen als eine Schriftstellerin. Nach der Schulzeit studierte sie in Johannesburg Literatur, wo sie ab 1949 auch lebte.

1954 heiratete sie in zweiter Ehe den Kunsthändler Reinhold Cassirer mit dem sie bis zu dessen Tod im Jahr 2001 eine glückliche Ehe führte. Zu den bekanntesten Werken von Nadine Gordimer zählen „Entzauberung“, „Fremdling unter Fremden“, „Burgers Tochter“, „Die Geschichte meines Sohnes“ und „Die Hauswaffe“. Nadine Gordimer lebt auch heute noch in Johannesburg in Südafrika.

Von Hans Klumbies