Was bedeutet es, ein guter und glücklicher Mensch zu sein? Die Frage ist nicht, wie gut ein Mensch ist, sein sollte oder müsste, um als „gut“ durchzugehen. Rebekka Reinhard erläutert: „Ethik ist kein Wettbewerb. Moralisieren führt zu nichts – außer zur Spaltung aller menschlichen Regungen in „gut“ und „schlecht“. Die einzige Frage, auf die es ankommt, ist: „Was kann ich jetzt Gutes tun?“ Man fängt bei sich selbst an und tut es. So einfach ist das. Gutes geschieht nicht, wenn man es durchdenkt, darüber liest oder schreibt. Es passiert nicht irgendwann, wenn sich ein Slot im Kalender ergibt. Rebekka Reinhard ist Chefredakteurin des Magazins „human“ über Mensch und KI. Unter anderem ist sie bekannt durch den Podcast „Was sagen Sie dazu?“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft wbg.
Freundlichkeit und Wärme zählen zu den Basistugenden
Gutsein ist ein Tun, und es passiert immer nur jetzt. In voll konzentriertem Zustand. Rebekka Reinhard nennt ein Beispiel: „Wenn ich jetzt einen Freund anrufe, ihm zuhöre, ohne an tausend andere Dinge zu denken, ihm Zeit schenke, ohne gedanklich bei meinem Hamster oder meinen Kontoauszügen zu sein, kriege ich nichts, das ich möglicherweise haben will.“ Dafür gewinnt man ein Stück Unendlichkeit, das den Alltag in einen Sternenhimmel transformiert.
In ihrem Buch „Die Kunst gut zu sein“ geht es um scheinbar ganz banale Dinge wie zum Beispiel Freundlichkeit. Rebekka Reinhard erklärt: „Freundlichkeit ist die Fähigkeit, aus anonymen Personen nahbare Menschen zu machen. Mit dieser Basistugend können Sie aus einer stinknormalen Drogerie eine Brutstätte langsamen Glücks machen.“ Eine weitere Basistugend ist die Wärme. Es braucht Mut, in einer kalten Welt Wärme zu schenken. Vielen scheint Kälte, Hass und Gleichgültigkeit effizienter als menschliche Wärme. Ein fataler Irrtum.
Jeder Mensch kann immer zum Guten umkehren
Wer diese Art von Wärme spendet, verschwendet keine Energie. Man gewinnt welche hinzu. Rebekka Reinhard ergänzt: „Mit Ihrer ethischen Temperaturerhöhung können Sie Schwarz-Weiß-Denken, Dogmatismus und Rechthaberei dahinschmelzen lassen. Sie können andere zu einer anderen Konfliktkultur inspirieren.“ Eine weitere fundamentale Tugend ist Stil. Dieser hat zwei Dimensionen: die ethische und die ästhetische. Ein stilvoller Mensch besitzt Geschmack und Haltung gleichermaßen. Mit Stil kann man das Chaos eines Tages in einen Kosmos verwandeln.
Auf die Einkehr zählt zu den Grundtugenden. Rebekka Reinhard fügt hinzu: „Was kann ich jetzt Gutes tun? Sobald sie eine Antwort auf diese Frage finden und entsprechend handeln, handeln Sie nicht nach Plan. Sondern aufgrund einer Einkehr oder Umkehr.“ Ein solcher Mensch ist ganz bei sich – und plötzlich wechselt er die ausgetretenen Pfade seines Innern. Wer „gut“ nur zur eigenen Gruppe ist, beherrscht „Virtue Signalling“ besser als Ethik. Wenn man jedoch in sich einkehrt, zeigt man damit anderen, dass es anders geht. Dass man immer zum Guten umkehren kann. Quelle: „Die Kunst gut zu sein“ von Rebekka Reinhard
Von Hans Klumbies