Mit dem Internet hat die „Weltkommunikation“ eingesetzt

Die Weltformel der globalen Gesellschaft wird gebildet aus den heißen Drähten, an denen sie unentrinnbar hängt. Eva Menasse schreibt: „Man könnte das, was fast mit einem Schlag eingesetzt hat, analog dem World Wide Web auch „Weltkommunikation“ nennen. Eine solche ist zum ersten Mal möglich, indem ein Großteil der Weltbevölkerung theoretisch unkompliziert miteinander in Verbindung treten kann, ohne große Hürden oder Kosten, in Echtzeit, ungeachtet aller Zeitverschiebungen und Entfernungen.“ Es begann, als das „mobile“ oder altmodisch sogenannte „Handtelefon“ vom Telefonnetz, den Mobilfunkanbietern und ihren Phantasie- und Roamingpreisen abhängig wurden. Plötzlich war es kein Telefon mehr, sondern war zum maximal potenten Weltempfänger und -sender geworden. Dadurch haben die neue Telefon eine erstaunlichen Teil der Medienmacht zurück an die Masse gegeben. Die Romane der österreichischen Schriftstellerin Eva Menasse sind vielfach ausgezeichnet worden.

Die Smartphones haben unendliche Fähigkeiten erlangt

In George Orwells weltberühmten Totalitarismus-Roman „1984“ hängt bei allen Mitgliedern der „Äußeren Partei“ ein unabschaltbarer „Teleschirm“ zu Hause an der Wand, aus dem gelegentlich Befehle dringen, der die Bewohner aber vor allem belauscht und ausspäht. Eva Menasse erklärt: „Aber dass umgekehrt alle von überall her, ohne sich groß zu bewegen, eine Unzahl von Ereignissen außerhalb ihrer eigenen vier Wände sehen, hören, kommentieren, bewerten und damit direkt beeinflussen könnten, lag 1948, als der sterbenskranke Autor seinen letzten Roman schrieb, wohl jenseits jeder Vorstellung.“

Indem die neuen Telefone zu etwas ganz anderem wurden, veränderten sie auch ihre Besitzer. Anders als vom Teleschirm entfernt man sich ja nie von ihnen, die meisten nehmen sie mit auf die Toilette und ins Bett. Eva Menasse fügt hinzu: „Und dem eigenen Mail-, Instagram- oder Twitter-Account kanns sich sowieso niemand entziehen; vorübergehendes Ignorieren verschlimmert die Sache eher, denn es staut Flutwellen auf.“ Diese Geräte haben schier unendliche Fähigkeiten erlangt.

Digital werden enorme Emotionen freigesetzt

Mit allem, was sie speichern, bilden sie einen Großteil – wenn auch nicht alles – der individuellen Eigenschaften und Charakteristika ihrer Besitzer ab. Eva Menasse erläutert: „Sie, die Menschen, sind in Wahrheit die „Endgeräte“, sie sind seither zu empfindlichen und beweglichen Schwärmen zusammengeschaltet. Aber während sich dank der Menge an laufend erhobenen Daten nun so vieles, vom Wetter über die Erderwärmung bis zum Wahl- und Konsumentenverhalten, immer präziser berechnen lässt, sind die psychosozialen Interferenzen zwischen Milliarden Telefonbesitzern völlig unberechenbar geworden.“

Enorme Emotionen werden digital freigesetzt, „geteilt“ und um die Welt geschickt, sie pflügen Politik und Gesellschaft um, einschließlich des Lebens vereinzelter digitaler Eremiten, die nie ein solches Gerät besessen und nie an „sozialen Netzwerken“ teilgenommen haben. Diese digitale Massenkommunikation, von deren Auswirkungen auf wohlhabende und demokratische Gesellschaften war ungefähr ab dem Jahr 2009 erreicht, als, drei Jahre nach Twitter, mit WhatsApp eine Anwendung auf den Markt kam, die noch einfacher, direkter, privater war als E-Mail oder Facebook. Quelle: „Alles und nichts sagen“ von Eva Menasse

Von Hans Klumbies