In seinem neuen Buch „Ein ungewöhnlicher Roman über einen gewöhnlichen Mann“ beschreibt Mike McCormack das Leben von Marcus Conway, der etwas außerhalb des Dorfes Louisburgh in der Grafschaft Mayo an der Westküste Irlands lebt. Der 50 Jahre alte Ingenieur steht an einem trüben Novembertag in seiner Küche, liest Zeitung und hört Radio, wobei er sich dem Strom seiner Gedanken willenlos ausliefert. Anfangs ist es etwas gewöhnungsbedürftig den Roman zu lesen, da der Autor seine Sätze ohne Punkt von Anfang bis Ende dahinfließen lässt. Aber man gewöhnt sich sehr schnell an diesen Schreibstil, der zu den persönlichen Erinnerungen von Marcus Conway passt, in die sich dieser verliert. Er wird fortgeschwemmt von jener Art Träumerei, die schließlich nur noch eine marginale Verbindung zu dem aufweist, was er zu Anfang dachte.
Marcus Conway will wach und weise gegenüber der Welt bleiben
Mike McCormack sagt über Marcus Conway folgendes: „Mir gefällt an ihm vor allem, dass er so rundum in die Welt involviert ist – er ist Sohn und Bruder, Ehemann, Liebhaber und Vater und zudem ein guter öffentlicher Bediensteter, dem viel am Gemeinwohl liegt.“ Dennoch beunruhigt Marcus Conway irgendetwas, das ihn im Hier und Jetzt in seiner Küche nicht zur Ruhe kommen lässt, an diesem verdammten Tag, der bislang nichts weiter bewirkt hat, als dass er diese Nerven tötende Furcht mehrte, die ihre wahre Quelle entschieden verheimlicht.
Für Marcus Conway besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass diese Furcht real ist, vielleicht noch verstärkt von einer bevorstehenden Katastrophe. Sein Geist spult endlos etwas ab, die leichthin als endlosen Gedanke durchgehen, wobei er in lächerlichen Grübeleien erschlafft. Dabei entstehen aalglatte Assoziationen, mentale Echos, in denen seine Sorge widerhallt, doch wach uns weise gegenüber der Welt zu bleiben. Mike McCormack schreibt: „Das hat mich an ihm fasziniert – diese tiefgreifende, umfassende, erwachsene Teilhabe an der Welt.“
Die Welt wird von Ingenieuren gemacht
Während Marcus Conway in seiner Küche sitzt, stürzt eine unaufhaltsame Sturzflut auf ihn ein – Gesichter, Wörter, allerhand Bruchstücke, die durch ihn hindurch in eine schwindelerregende, vielschichtige Tiefe fallen, dahinter nichts als ein dunkles Vergessen, das ihn aufzusaugen droht, eine schwarze Schwerkraft, die ihn anzieht, an seinen Fingerspitzen zerrt, sodass er sich, würde er noch einen Moment länger dort verweilen, sich vielleicht gänzlich verlieren würde, weil ihm etwas fehlt, an dem er sich festhalten könnte.
Marcus Conway erinnert sich an sein Leben mit der Präzision und Klarheit eines Ingenieurs, dem beim Brückenbau nicht der geringste Fehler unterlaufen darf. Denn die Folgen wären tödlich. Mike McCormack sagt über sein Buch folgendes: „Der Grund, warum ich über einen Ingenieur schreiben wollte, ist schlicht der, dass unsere Welt von Ingenieuren gemacht wird – Künstler schreiben darüber, malen, fotografieren sie, von den Ingenieuren aber wird sie geschaffen.“
Ein ungewöhnlicher Roman über einen gewöhnlichen Mann
Mike McCormack
Verlag: Steidl
Broschierte Ausgabe: 266 Seiten, Auflage: 2019
ISBN: 978-3-95829-647-3, 22,00 Euro
Von Hans Klumbies