Arbeit und Freizeit teilen dieselbe sozioökonomische DNA

Michael Carolan vertritt die These, dass man die inneren Zusammenhänge der Wirtschaft man am ehesten verständlich machen kann, wenn man Beispiel anführt, die Bezug zu einem selbst haben: „Wir arbeiten alle. Wir spielen auch alle, gehen mit Freunden aus und beteiligen uns an Gemeinschaftsaktivitäten.“ Arbeit und Freizeit sind scheinbar getrennte Lebensbereiche, teilen aber heute dieselbe sozioökonomische DNA. Bei Cheaponomics geht es nicht nur um eine Form der Produktion zu billiger Waren und der Nichtorganisation der Märkte. Diese Wirtschaftsform des Billigwahns reicht in die Gesellschaft hinein, prägt Gedanken und Handlungen bezüglich der Umwelt und anderer Menschen und liegt vielen Idealen von Wachstum und Wohlstand zugrunde. Arbeit und Freizeit, wie sie gegenwärtig praktiziert werden, sind nur Ausdrucksformen dieser Logik. Michael Carolan ist Professor für Soziologie an der Colorado State University.

Profite für wenige zählen mehr als Wohlstand für viele

Ein bekanntes Paradoxon ist, dass viele Menschen für ihre Freizeit mehr arbeiten und dadurch weniger Freizeit haben. Weil alle so viel arbeiten und dann noch von und zur Arbeit pendeln müssen – und das über immer weitere Entfernungen –, sind viele Wohnviertel zu Geisterstädten geworden. Michael Carolan erklärt: „Ihres Sozialkapitals beraubt, bieten viele Gemeinden ihren Bewohnern heute kaum noch Anreize, sich dort in der Freiheit aufzuhalten. Die Menschen haben vielmehr oft das Bedürfnis, bei jeder Gelegenheit Fernreisen zu machen.“

Gespräche über die Freizeit handeln meist von dem „Wunsch, mal rauszukommen.“ Durch mehr Arbeit und „woanders“ verbrachten Urlaub werden Gemeinden und Wohnviertel tendenziell noch unattraktiver, was wiederum zum mehr Arbeit und „woanders“ verbrachten Urlaub führt. Cheaponomics hat ein hochgradig instabiles System hervorgebracht, weil Profite für wenige darin mehr zählen als Wohlstand für viele. Noch bedenklicher ist für Michael Carolan, dass die einseitige Fixierung auf niedrige Verbraucherpreise die Menschen vieler Dinge beraubt, die dem Leben Bedeutung und letztlich auch Wert verschaffen.

Das System hasst die Arbeiter

Billigwaren regen die Nachfrage an. Und weil sie billig sind, was bedeutet, dass sie ganz sicher nicht für ein langes Leben gemacht sind, kann man sicher sein, dass die Nachfrage niemals vollständig befriedigt wird. Billigwaren werden auf der Grundlage auf einer ungeheuerlichen Sozialisierung der Kosten hergestellt. Michael Carolan erläutert: „Eine Bevölkerungsgruppe, die häufig benutzt wird, um für diese Kosten aufzukommen, sind die Arbeiter, die unaufhörlich durch Lohnkürzungen sowie den Ersatz von Arbeit durch Kapital in Bedrängnis gebracht werden.“

Das wiederum schafft Anreize, noch billigere Waren herzustellen, um die sinkenden Löhne auszugleichen. Dafür braucht man allerdings weitere Strategien, um die Kosten zu sozialisieren. Kosten, die wiederum signifikant von Arbeitern getragen werden, deren Kaufkraft anschließend noch weiter gesenkt wird, wodurch Bedarf für noch billigere Waren entsteht, und immer so weiter. Das ist auf Dauer unhaltbar. Michael Carolan fügt hinzu: „Das System verhält sich, als hasse es die Arbeiter – dies wird darin ersichtlich, dass der Markt unermüdlich daran arbeitet, Arbeiter durch Kapital zu ersetzen. Quelle: „Cheaponomics“ von Michael Carolan

Von Hans Klumbies