Menschen können Erinnerungslücken schließen

Menschen erfinden sich täglich neu, indem sie – oft unabsichtlich – dann Personen, Dinge, Ereignisse oder Handlungen hinzu- oder wegnehmen, um Erinnerungslücken zu schließen. Rüdiger Maas ergänzt: „Um am Ende eine logische Geschichte von uns selbst zu erhalten. Oft sind wir und dann relativ sicher und meinen, es hätte all dies wirklich gegeben.“ Besonders intensiv sind die Erinnerungen an die Zeit zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr, also genau an das Alter, in dem die Generation Z beziehungsweise unsere jungen Nachwuchskräfte in die Arbeitswelt eintreten oder studieren. Diese Zeit wird Reminiscere Bump, zu Deutsch Erinnerungshügel, genannt. Der Hügel ermöglicht kognitiv-emotionales Wiedererleben persönlicher Ereignisse, die in dieser Zeitspanne stattgefunden haben. Rüdiger Maas studierte in Deutschland und Japan Psychologie. Er ist Gründer eines Instituts für Generationenforschung. Zuletzt erschien sein Bestseller „Generation lebensunfähig“.

Die Reifung des Gehirns ist erst mit dem Erwachsenenalter abgeschlossen

Grund hierfür ist, dass sich das menschliche Gehirn in dieser Altersspanne noch in der Entwicklungsphase befindet, es macht in dieser Zeit sogar den größten Wachstumsschub seines gesamten Lebens. Rüdiger Maas erklärt: „Erfahrungen und Lernvorgänge schlagen sich in neuronalen Strukturen nieder, die alle weiteren Lernprozesse bis zum Erwachsenenalter wesentlich beeinflussen können, da die Reifung des Gehirns erst mit Beginn des Erwachsenalters abgeschlossen ist.“

Die Aussage „früher war alles besser“ ist tatsächlich nicht aus der eigenen Erfahrung heraus beurteilbar, auch wenn man ganz fest davon überzeugt ist. Vor allem bezogen auf die Generation Z hört man auch außerhalb von Talkshows und Leitmedien nicht selten die vermeintliche Feststellung: „Mit den heutigen Nachwuchskräften wird es bezogen auf die Arbeit immer schlimmer und schlechter!“ Gefolgt von der Frage: „Wo soll das nur hinführen?“ Diese Aussagen und Fragen ergeben genauer betrachtet laut Rüdiger Maas keinen Sinn.

Es kann keine lineare Steigerung des „Schlechter-Werdens“ geben

Sie sind rückblickend ebenso wenig zu beantworten, wie es eine lineare Steigerung des „Schlechter-Werdens“ geben kann. Rüdiger Maas erläutert: „Wenn es heute besser ist als morgen und morgen besser ist als übermorgen, müssen wir nur zurück in die Vergangenheit gehen, um den Optimal-Zustand zu finden: quasi einen Nullpunkt, einen Anfang, an dem alles perfekt war und von dort ausgehend mit jeder vergangenen Minute immer alles schlechter wurde.“

„Make America great again“ war Donald Trumps Slogan im Wahlkampf um die US-amerikanische Präsidentschaft 2016. Das hat super funktioniert, er wurde Präsident. Niemand hatte anscheinend darüber nachgedacht, wann Amerika eigentlich wirklich „great“ war. Rüdiger Maas fügt hinzu: „Trump musste nicht mal ein Beispiel aus der Great Time nennen oder Handlungsanweisungen liefern, um diese Great Time gedanklich wieder aufleben zu lassen.“ Es reichte die fiktionale Vorstellung, dass es anscheinend in den USA einmal einen Nullpunkt der absoluten „Great-Haftigkeit“ gab. Quelle: „Generation arbeitsunfähig“ von Rüdiger Maas

Von Hans Klumbies