Hans-Jürgen Papier definiert, was „Meinungen“ aus verfassungsrechtlicher Sicht überhaupt sind. Er zeigt auf, wie sie sich von Schmähungen oder Tatsachen abgrenzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Meinungen Werturteile, die „durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet sind“. Sie lassen sich weder als wahr noch als unwahr qualifizieren. Es sind immer Stellungnahmen, es geht um Elemente des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung. Für den grundrechtlichen Schutz kommt es dabei nicht auf den konkreten Inhalt der Meinungsäußerung an. Es spielt für den verfassungsrechtlichen Schutz also weder eine Rolle, ob eine Meinungsäußerung begründet oder grundlos erscheint, noch, ob sie von anderen für nützlich oder für schädlich, für wertvoll oder für wertlos gehalten wird. Prof. em. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier war von 2002 bis 2014 Präsident des Bundesverfassungsgerichts.
Eine Schmähkritik liegt außerhalb des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit
Eine Ausnahme von der prinzipiellen Irrelevanz des Meinungsinhalts wird allein im Fall der Schmähkritik gemacht. Hans-Jürgen Papier erläutert: „Eine Schmähkritik liegt außerhalb des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit. Hier geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass nicht jede überzogene oder gar ausfällige Kritik gleich als Schmähkritik einzustufen ist.“ Wesentlich sei für diese Kategorisierung vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund stehe.
Sie müsse jenseits von polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung einer Person bestehen, etwa durch Verwendung von besonders schwerwiegenden Schimpfwörtern aus der Fäkalsprache. Ebenfalls von Meinungsäußerungen zu unterscheiden sind Tatsachenbehauptungen. Hans-Jürgen Papier erklärt: „Dabei geht es um Äußerungen über gegenwärtige oder vergangene Zustände oder Ereignisse, die der Überprüfung zugänglich sind und deren Wahrheitsgehalt bewiesen werden kann.“
Tatsachenbehauptungen sind im strengen Sinn keine Äußerungen einer Meinung
Im Einzelfall ist die Abgrenzung zwischen Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen nicht immer leicht. Sie muss jeweils durch die kontextabhängige Auslegung einer Äußerung vorgenommen werden. Hans-Jürgen Papier nennt ein Beispiel: „So ist die Äußerung „Soldaten sind Mörder“ vom Bundesverfassungsgericht nicht als Tatsachenbehauptung verstanden worden, etwa mit dem Inhalt, dass alle Soldaten in der Vergangenheit Morde im strafrechtlichen Sinne begangen hätten.“
Vielmehr ist sie wegen der in der wertenden Gleichstellung mit Mördern liegenden Kränkung des einzelnen Soldaten beziehungsweise des gesamten Berufsstands als abschätziges Werturteil beurteilt worden – und damit als Meinungsäußerung zugelassen. Hans-Jürgen Papier fügt hinzu: „Immer wieder umstritten gewesen ist, ob und inwieweit Tatsachenbehauptungen vom Schutz der Meinungsfreiheit erfasst sind. Das liegt vor allem daran, dass Meinungsäußerungen oftmals nahezu untrennbar mit Tatsachenbehauptungen vermischt sind.“ Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Tatsachenbehauptungen „im strengen Sinn keine Äußerungen einer Meinung“. Quelle: „Freiheit in Gefahr“ von Hans-Jürgen Papier
Von Hans Klumbies