Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung

Menschen haben mehr als nur ein und schon gar nicht alle dasselbe Weltbild. Sie schauen die Welt durch viele Brillen an, sagen Erkenntnistheoretiker wie Gerhard Vollmer. Matthias Glaubrecht betont: „Er erklärt damit auch, warum sich so viele emotionale Widerstände gegen jene Ansichten regen, die den Menschen nicht in den Mittelpunkt stellen.“ Angefangen vom einstigen geozentrischen Weltbild und der mittelalterlichen Physik bis hin zur theologisch geprägten Auffassung eines Ehrenplatzes des Menschen oder gar als Krone der Schöpfung. Die Evolutionstheorie räumt den Menschen keine Privilegien ein. Er wird stattdessen als Glied einer kontinuierlichen Entwicklung ohne Ziel erkannt. Deshalb gibt es auch nach anderthalb Jahrhunderten noch derart viele emotionale Widerstände gegen diese Theorie. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

Der Mensch passt sich an seine jeweilige Umwelt an

Matthias Glaubrecht hält fest, dass weder das Gehirn eines Menschen noch seine Erkenntnisfähigkeit vom Himmel gefallen sind. Sondern sie sind vielmehr als evolutionäre Adaption auf natürlichem Weg entstanden. Und dass Erkenntnis ihre Grenzen hat. Sie diente einst dazu, in der realen Welt zu überleben. Diese vollständig abzubilden oder gar zu verstehen war nicht ihr Ziel. Eine dadurch eingeschränkte Erkenntnisfähigkeit, die stets unmittelbar und lokal fokussiert und eben nicht global sinniert und agiert, stellt die Menschen heute mehr denn je vor Probleme.

Bisher waren es vor allem Philosophen, die darüber spekulierten, wie die Vernunft und der menschliche Geist in die Welt kommen. Doch auch als Biologe muss man sich fragen: Woher kommen Gehirn und Geist, Welterkenntnis und Weltanschauung? Nach dem naturalistischen Weltbild verdankt sich die Entwicklung des Menschen seiner Anpassung an die jeweilige Umwelt. Damit ist jene Urumwelt der australopithecinen Ahnen im einstigen afrikanischen Lebensraum gemeint.

Der Geist ist das Resultat der Evolution

Letztlich sind auch das menschliche Gehirn und dessen mentale Möglichkeiten der reproduktiven Fitness der Vorfahren der heutigen Menschen geschuldet. Matthias Glaubrecht erklärt: „Oder anders gesagt: Auch unser Geist ist als nützlicher Helfer im Überlebenskampf das Resultat der Evolution durch natürliche Selektion.“ Natürlich ist gerade die Sache mit dem Gehirn und dem Geist kompliziert. Und die Frage nach der Evolution der mentalen Möglichkeiten des Menschen ist gleich mit einer ganzen Serie von noch immer nicht aufgelösten Paradoxien verknüpft.

Die Gehirnvergrößerung erfolgte eben nicht zeitgleich und allmählich mit der Entstehung des aufrechten Ganges, sondern erst Millionen Jahre nach dem Übergang zur Zweibeinigkeit. Matthias Glaubrecht erläutert: „Beide Schlüsselanpassungen sind mithin nicht, wie lange unterstellt, funktional korreliert. Wie gesagt: Erst lange nach dem Dauerlauf kam das Denken, lange nach dem Aufrichten die Aufklärung.“ Zudem dürfte das Gehirn nicht maßgeblich für die Entstehung der direkten Ahnen des Menschen innerhalb der Gattung Homo verantwortlich sein. Quelle: „Das Ende der Evolution“ von Matthias Glaubrecht

Von Hans Klumbies