Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung

Es ist die vorherrschende Sicht des Menschen auf sich selbst, dass er ein besonderes Tier ist. Über die physischen Fähigkeiten und Besonderheiten des Homo sapiens ist viel bekannt. Allein ihm, so ist oft festgestellt worden, ist die Fähigkeit zur Sprache und Kultur gegeben. Nur er beherrscht die Herstellung von Werkzeugen und komplexen Technologien, die angeblich über seine evolutionäre Zukunft entscheide. Matthias Glaubrecht weiß jedoch: „Tatsächlich sind unter den Menschenaffen auf Orang-Utans für ihr Geschick bekannt. Sie öffnen Früchte mit einem Stock, schützen sich mit großen Blättern vor Regen. Gorillas wurden beobachtet, wie sie durch Tümpel wateten und mit einem Stock die Wassertiefe testeten.“ Schimpansen vermögen Nüsse mit Steinen zu knacken, wobei ihnen diese als Hammer und Amboss dienen. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

Der Mensch macht sich oft genug selbst zum Affen

Die haarigen Vettern des Menschen sind schlau. Sie erkennen sich sogar selbst im Spiegel, sind sich also wie die Menschen ihrer selbst bewusst. Und Roboter mögen regelmäßig beim Schach gewinnen. Doch wahrer schöpferischer Geist schlummert angeblich nur in der vermeintlichen Krone der Schöpfung, im Hirn des Homo sapiens. Matthias Glaubrecht stellt fest: „Viele Verhaltensforscher, zumal in Gestalt von Primatologen, sind mit solchen Annahmen und Aussagen inzwischen mehr als vorsichtig.

Man könne die Affen aus dem Urwald nehmen, aber nicht den Urwald aus dem Affen, so ist etwa Frans de Waal überzeugt. Und er meint dabei durchaus die zweibeinigen Affen. Denn was das ureigene Verhalten eines Menschen angeht, macht er sich schließlich oft genug buchstäblich zum Affen. Matthias Glaubrecht erklärt: „Wer auch nur etwas vom Verhalten von Schimpanse, Gorilla und Orang-Utan weiß, kann unmöglich diese simple Botschaft vom Affen in uns übersehen.“

Viele Tiere sind lernfähig

Der gegenteilige Eindruck vom Homo sapiens als rationalem Kulturwesen ist eine Illusion. Oft genug übernehmen beim Menschen – hin- und hergerissen zwischen Trieb und Vernunft – im Handstreich die Emotionen, die ihn alle Regeln und Ration vergessen lassen. Matthias Glaubrecht erläutert: „Wir entscheiden als gefühlsbetonte Kreaturen und zeigen wilde Aggressionen, die jede Erziehung vergessen macht. Der Mensch hat mehr vom Menschenaffen in sich, als wir wahrnehmen wollen.“

Genauso wie die Wurzeln von Emotionen und Instinkten liegen auch die Anfänge des intelligenten Verhaltens der Menschen weit zurück in der Evolution. Wobei Matthias Glaubrecht Intelligenz hier als Lernfähigkeit und Neugier versteht. Also Planung, sich Handlungen im geistigen Raum vorzustellen. Zwar ist Intelligenz kein exklusives Merkmal des Menschen, denn er teilt sie mit seinen unmittelbaren Verwandten aus dem Tierreich, den Menschenaffen. Und nicht nur diese, sondern auch andere Tiere sind lernfähig. Quelle: „Das Ende der Evolution“ von Matthias Glaubrecht

Von Hans Klumbies