Mathias Binswanger stellt das Konzept des freien Marktes vor

Der sogenannte freie Markt erfreut sich heute bei vielen Ökonomen, Managern, Unternehmern und Politikern großer Beliebtheit. Mathias Binswanger erklärt: „Es wird gepredigt, dass freie Märkte grundsätzlich gut sind und der Staat sich gefälligst nicht in diese einmischen soll. Daraus folgt, dass wir möglichst viel Markt und möglichst wenig Staat haben sollen.“ Denn Märkte bringen den Menschen, so eine der gängigen Meinungen, Effizienz, Innovationen und Wachstum, während der Staat für Ineffizienz, Verschwendung und Stillstand verantwortlich ist. Gemäß den Anhängern der freien Marktwirtschaft gilt also, dass dort, wo sich Märkte frei und ohne Behinderung entwickeln können, die Menschen in einer Welt leben, die zwar gut ist, aber noch nicht gut genug. Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen.

Der berühmteste Vertreter der freien Marktwirtschaft ist Milton Friedman

Noch besser wäre diese Welt nämlich, so wird von den Verfechtern der freien Marktwirtschaft behauptet, wenn zusätzlich noch künstliche Märkte in den Bereiche geschaffen werden, in denen sich von Natur aus gar kein Markt bilden würde. Erst wenn überall ein Markt existiert, leben die Menschen in der besten aller möglichen Welten. Als wohl populärsten professionellen Vertreter dieses Gedankenguts nennt Mathias Binswanger den verstorbenen Nobelpreisträger in Ökonomie des Jahres 1976, Milton Friedman.

Milton Friedman verbreitete vor allem eine Botschaft: „Markt ist gut und Staat ist schlecht.“ Das fatale an einer derart einfachen Botschaft ist, dass sie bei Politikern rasch auf offene Ohren stößt. Denn Politiker lieben einfache Wahrheiten, die leicht kommunizierbar sind und klare Handlungslinien für die Politik vorgeben. Vor allem Margaret Thatcher in England und Ronald Reagan in den USA übertrugen diese Lehre auf die Politik: „Privatisierung, Deregulierung und Wettbewerb wurden zu den neuen Schlagwörtern einer neoliberalen Revolution.“

Adam Smith führt in die Ökonomie die Idee der „unsichtbaren Hand“ ein

Ganz von ungefähr kam diese Wende im Jahre 1979 laut Mathias Binswanger allerdings nicht. Denn die Wirtschaft Englands befand sich damals in einem desolaten Zustand: Hohe Inflation, kombiniert mit ständigen, durch die mächtigen Gewerkschaften inszenierten Streiks bei den Staatsbetrieben, machte den englischen Bürgern das Leben schwer. Die sozialistische Politik, der damals regierenden Labour Party, wurde zu Recht für die Misere mitverantwortlich gemacht. Viele Engländer empfanden die von Margaret Thatcher eingeleitete Abkehr vom Staat als eine Art Befreiungsschlag.

Dass dabei weit über das Ziel hinausgeschossen wurde und man sich nach der Verehrung des Staates mit derjenigen des Marktes erneut ideologisch verrannt hatte, erkannte man erst, als die ersten Leichen der Privatisierung, vor allem bei der englischen Bahn, zum Vorschein kamen. Der Glaube an die Wirksamkeit von freien Märkten beruht für Mathias Binswanger letztlich auf der von Adam Smith, der von 1723 bis 1790 lebte, in der Ökonomie eingeführten Idee der „unsichtbaren Hand“: „Diese sorgt angeblich dafür, dass das eigennützige Handeln der Menschen im Mechanismus des Marktes immer auch das Gemeinwohl steigert.

Von Hans Klumbies