Markt und Wettbewerb sind keineswegs siamesische Zwillinge

In der Gegenwart herrscht unter vielen Ökonomen nicht nur für den Markt große Begeisterung, sondern auch für den Wettbewerb. Ihr Motto lautet: „Je mehr Wettbewerb, desto besser.“ Denn mehr Wettbewerb, so glauben sie, bedeutet, dass sich das Beste durchsetzt. Daraus ergäbe sich ihrer Meinung nach dann automatisch mehr Effizienz, mehr Innovation, mehr Wachstum und es ginge allen immer besser und besser. Die Wettbewerbsfähigkeit ist laut Mathias Binswanger zunehmend zur wichtigsten Eigenschaft von Unternehmen, Menschen und öffentlichen Organisationen geworden. Mathias Binswanger ergänzt: „Selbst politische Programme tendieren dazu, sich nur noch in der Frage zu unterscheiden, mit welchen Maßnahmen die kollektive Wettbewerbsfähigkeit eines Landes gesteigert werden kann. Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen.

Sozialistische Regierungen haben den künstlichen Wettbewerb am stärksten propagiert

Wenn Mathias Binswanger die Politik der letzten zwanzig Jahre betrachtet, kommt er zu dem überraschenden Ergebnis, dass es gerade sozialistische Regierungen waren, die die Idee des künstlichen Wettbewerbs am stärksten vorangetrieben haben. Zum Beispiel fühlte sich der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder in Deutschland dazu berufen, überall bei Staat Wettbewerb zu propagieren, womit die Inszenierung künstlicher Wettbewerbe endgültig zum Standardprogramm fortschrittlicher Sozialisten wurde.

Die Behauptung, wo Markt ist, da ist auch Wettbewerb und umgekehrt, ist für Mathias Binswanger ein gewaltiger Irrtum. Markt und Wettbewerb sind seiner Meinung nach keineswegs siamesische Zwillinge. Mathias Binswanger erklärt: „Auf der einen Seiten haben wir Märkte mit sehr wenig Wettbewerb wie etwa bei einem Monopol oder einem Kartell. Und umgekehrt gibt es unzählige Wettbewerbe, die mit einem Markt überhaupt nichts zu tun haben wie etwa im Sport.“

Wettbewerbe ohne Markt führen im Allgemeinen zu keiner Steigerung des Allgmeinwohls

Wettbewerbe außerhalb des Marktes sind durch ein fixes Angebot einer begehrten und gleichzeitig knappen Sache oder Trophäe gekennzeichnet. Allgemein herrscht unter den Enthusiasten des Wettbewerbs die Ansicht, dass Wettbewerbe auch ohne Märkte für optimale Resultate sorgen. Deshalb versuchen sie künstliche Wettbewerbe zu inszenieren, um so auch Bereiche wie Wissenschaft, Bildung oder Gesundheitswesen auf Effizienz zu trimmen. Wie im Spitzensport soll ein stetiger Wettkampf um Höchstleistungen stattfinden.

In der Realität erweist sich dieses Ideal aber schnell als schlichter Wunschtraum. Mathias Binswanger erläutert: „Würden Wettbewerbe ohne Markt nämlich funktionieren, dann hätten auch die kommunistischen Planwirtschaften erfolgreich sein müssen. Dort gab es keinen Markt, aber jede Menge künstlich inszenierter Wettbewerbe, die Anreize für mehr Effizienz setzen sollten.“ Wettbewerbe ohne Markt führen im Allgemeinen zu keiner Steigerung des Allgemeinwohls. Sie schaffen ganz im Gegenteil perverse Anreize, die dann auch zu perversem Verhalten führen.

Von Hans Klumbies