Eltern haben einen Auftrag in Bezug auf ihre Kinder. Und auf den sollten sie sich bei aller Selbstinszenierung, eigener Bedürftigkeit nach Anerkennung und allem „modern sein Wollen“ auch tunlichst besinnen. Es ist ziemlich einfach und wenn man selbst genügend erwachsen ist, auch durchwegs erfüllbar. Martina Leibovici-Mühlberger erläutert: „Das ganze basiert auf einem einfachen und grundsätzlich unauflöslichen Vertrag, der in dem Moment in Kraft tritt, in dem wir Kinder in die Welt setzen. Wir sind für sie verantwortlich und müssen sie „fit for life“ machen. Wir müssen sie durch ihre Kindheit und Jugend begleiten, bis wir sie im jungen Erwachsenenalter endlich in die Unabhängigkeit entlassen können.“ Die Ärztin Martina Leibovici-Mühlberger leitet die ARGE Erziehungsberatung und Fortbildung GmbH, ein Ausbildungs-, Beratungs- und Forschungsinstitut mit sozialpsychologischem Fokus auf Jugend und Familie.
Das Kind wird durch die Vermittlung von Werten und Normen sozialisiert
Das heißt, die Eltern, aber auch die Gesellschaft sozialisieren das Kind durch die Vermittlung von Normen, Werten und bringen ihm einen Verhaltenskodex bei, der es ihm ermöglicht, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Das alles geschieht unter der Berücksichtigung der speziellen Talente des Kindes und seiner Individualität. Martina Leibovici-Mühlberger spricht hier also von der Basis, dem gesellschaftlichen Alphabet, mit dem das Kind lernt, im Laufe der Zeit das Buch seines eigenen Lebens zu schreiben.
Das Ganze nannte sich früher Erziehungsauftrag, als man sich noch weniger darum bemühen musste, möglichst frühzeitig die beste Freundin oder der beste Freund seines Kindes zu werden, um als aufgeschlossene Mutter oder aufgeschlossener Vater zu gelten. Martina Leibovici-Mühlberger stellt fest: „Heute klingt das irgendwie sperrig, fast schon anrüchig, auf jeden Fall mühevoll, zäh und wenig cool, als sich den Minirock der vierzehnjährigen Tochter anzuziehen oder den Sprachstil des pubertierenden Sohnes zu übernehmen.“
Die Alten geben die Regeln vor und tragen die Verantwortung für die Jungen
Das Prinzip des Erziehungsauftrags ist ganz einfach: Eltern müssen kraft ihres Vorsprungs an Erfahrung und Orientierungskompetenz beweisen, also einfach Eltern sein, damit Kinder einfach Kinder sein und ihren Eltern nachfolgen können. Dieses Prinzip hat sich über Jahrtausende bewährt, dass man es als selbstverständliches Grundgesetz bezeichnen könnte. Die Alten geben die Regeln vor, tragen die Verantwortung für die Jungen, bringen ihnen alle Tricks und Kniffe bei und vermitteln ihnen, worauf es ankommt.
Die Jungen hören zu, machen, da die Spezies Mensch bekanntlich höchst imitationsfreudig ist, alles nach und wachsen an der immer länger werdenden Leine der Alten immer mehr in eine schrittweise erprobte und damit auf einem soliden, selbstbewussten Fundament stehende junge Existenz hinein. Martina Leibovici-Mühlberger fügt hinzu: „In der können sie dann von mir aus auch alles umkrempeln, neu erfinden und frisch bewerten – sie sind ja dann erwachsen, sprich, mit planerischem und vorausschauendem Denken ausgerüstet und dadurch fähig, die Verantwortung für die Konsequenzen ihres Tuns zu tragen.“ Quelle: „Wenn die Tyrannenkinder erwachsen werden“ von Martina Leibovici-Mühlberger
Von Hans Klumbies