Markus Gabriel stellt das Weltbild des Naturalismus vor

Anhänger eines wissenschaftlichen Weltbildes argumentieren laut Markus Gabriel häufig folgendermaßen: „Es gibt nur eine Natur.“ Sie ist der Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften, das Universum. Für die Naturalisten gibt es nichts Über- oder Außernatürliches, denn ein solches Phänomen würde gegen die Naturgesetze verstoßen. Da die Gesetze der Natur immer gültig sind, gibt es für die Vertreter dieser Wissenschaftsrichtung nur eine einzige Natur. Markus Gabriel erklärt: „Diese Position, dass es nur die Natur, nur das Universum gibt, wird meist kurzum als Naturalismus bezeichnet.“ Nach ist kann nur dasjenige existieren, dass sich auf den Bereich der Naturwissenschaften zurückführen lässt – alles andere muss eine Illusion sein. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie an der Universität Bonn inne. Er ist Deutschlands jüngster Philosophieprofessor. Außerdem leitet er das Internationale Zentrum für Philosophie in Bonn.

Der Naturalismus möchte das Universum von irrationalen Annahmen freihalten

Der Philosoph Hilary Putnam, der sich ausführlich mit dem Naturalismus beschäftigt hat, vermutet hinter diesem wissenschaftlichen Weltbild eine gewisse Angst. In seinem Buch „Philosophie in einem Zeitalter der Wissenschaft“ weist er darauf hin, dass der Naturalismus das Universum von irrationalen Annahmen freihalten möchte. Dazu zählt Hilary Putnam Erklärungen, die nicht wissenschaftlich nachvollziehbar sind und die nach wissenschaftlichen Standards begründungstheoretisch schwach oder völlig willkürlich sind.

Naturalisten meinen, dass jede traditionelle Erklärung der Welt insgesamt oder einiger Phänomene, die in ihr vorkommen, die nichtnatürliche Gegenstände wie Gott, eine immaterielle Seele, Geister oder das Schicksal in Anspruch nimmt, ein Fall willkürlicher Hypothesenbildung ist. Markus Gabriel fügt hinzu: „Wer behauptet, dass sein Gott die Zehn Gebote vorgeschrieben hat oder dass Krishna eine Personifikation des Göttlichen war, behauptet dem Naturalismus zufolge formal gesehen dasselbe wie jemand, der das Fliegende Spaghettimonster anbetet.“

Wissenschaftler wollen die Wahrheit ergründen und sich von Illusionen befreien

Der Naturalismus lehnt die Religion als konkurrierende Welterklärung ab, weil er sie für eine unwissenschaftliche Hypothese hält. Auf den ersten Blick empfehlen sich der Naturalismus und ein wissenschaftliches Weltbild als Heilmittel gegen ein gefährliches Gift: die menschliche Willkür. René Descartes, einer der Gründerväter des wissenschaftlichen Weltbildes, hat erklärt warum der Mensch so anfällig gegenüber Irrtümern ist. Seiner Meinung nach besteht ein Überschuss des Willens gegenüber dem Verstand. Der Wunsch ist also der Vater des Gedankens.

Wissenschaftler wollen aber die Wahrheit ergründen und sich von Illusionen befreien. Es geht dabei nicht darum, wie man sich die Wirklichkeit vorstellt, sondern darum wie sie ist. Die Philosophen der Frühen Neuzeit fangen an, streng zwischen wirklicher Welt und Fiktion zu unterscheiden. Die wirkliche Welt, das Universum, ist dasjenige, was schlechterdings nichts mit der menschlichen Einbildungskraft zu tun hat. Zudem legt der Naturalismus zwei Kriterien an, um das Natürliche vom Übernatürlichen zu unterscheiden. Erstens ist das Übernatürliche Gegenstand einer willkürlichen Hypothesenbildung, also reine Erfindung. Und zweitens verstößt das Übernatürliche gegen die Naturgesetze.

Von Hans Klumbies