Markus Gabriel weist den Wertepluralismus zurück

Der Wertepluralismus meint, in der Moral gelte: Andere Länder, andere Sitten. Jedes Land werde von einer Kultur geprägt, die einen eigenen Moralkodex habe. Und einige Länder bildeten Gruppen, die miteinander kommunizieren können. Markus Gabriel erläutert: „So stellt man sich dann den Westen im Unterschiede zum Osten oder Europa im Unterschied zu Afrika als Werteordnungen vor.“ Der Irrtum besteht seiner Meinung nach jedoch in der Annahme, es gäbe voneinander abgegrenzte Wertesysteme. Diese Überzeugung führt schnell zur zurückweisenden Annahme der Inkommensurabilität. Also der Vorstellung, es gäbe radikal voneinander verschiedene und nicht mit demselben Maß messbare Moralsysteme. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Für Werterelativisten gibt es weder Gutes noch Böses

Der Wertepluralismus ist nicht automatisch auf den Gedanken der Inkommensurabilität festgelegt. Zunächst einmal ist er eine ethnologische Behauptung. Er nimmt zunächst einmal an, dass es eine Vielzahl von Wertvorstellungen gibt. Daraus folgt noch nicht, dass nicht eines der vorliegenden Systeme von Wertvorstellungen besser oder richtiger ist. Man könnte Wertepluralist sein und gleichzeitig behaupten, dass das eigene Wertesystem allen anderen überlegen, vielleicht sogar das einzig Richtige sei.

Der Werterelativismus geht einen Schritt weiter und nimmt folgendes an. Nämlich, dass dasjenige, was moralisch empfohlen, und dasjenige, was moralisch verwerflich ist, immer nur in dem jeweiligen, miteinander inkommensurablen Wertesystemen gilt. Es gebe keine übergreifende Ordnung, die festlege, welches System moralisch besser sei, als ein anderes. Die Systemwahl werde, wenn überhaupt, jedenfalls nicht nach moralischen Kriterien getroffen. Für den Werterelativisten gibt es demnach keinerlei Gutes oder Böses an sich.

Es gibt moralische Tatsachen

Sondern es gibt für ihn Gutes und Böses immer nur relativ zu einem der vielen Wertsysteme, sodass deren Vertreter einander genau genommen auch nicht anhand eines unabhängigen Maßstabs bewerten können. Das Aufeinandertreffen von Wertesystemen führt für den Relativisten nicht mehr zu einer moralisch kontrollierbaren, ethischen Auseinandersetzung. Sondern sie führt zu einem Systemwettbewerb und konkreten Kämpfen um geopolitische Deutungshoheit. Der Wertenihilismus schließlich zieht aus alldem die Konsequenz und nimmt an, es gebe überhaupt keine handlungswirksamen Werte.

Der Wertenihilismus hält Werte allesamt nur für Gerede, hinter dem nichts steckt. Also bestenfalls für Ausreden, die man verwendet, damit bestimmte Gruppen ihre Präferenzen gegen Konkurrenten durchsetzen können. Markus Gabriel ist davon überzeugt, dass alle drei Annahmen falsch sind. Denn es gibt moralische Tatsachen, die vorschreiben, was ein Mensch tun und was er unterlassen soll. Eine Tatsache ist im Allgemeinen etwas, das wahr ist. Moralische Tatsachen sind für Markus Gabriel zum Beispiel, dass man keine Kinder quälen und die Umwelt schützen soll. Quelle: „Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies